Mein irischer Held
über sein Kinn. Gut, es waren noch keine Bartstoppeln nachgewachsen.
In seinem Bett wartete eine junge Frau auf ihn. Sie hatte dunkles, weiches Haar und einen wohlgeformten Körper. Aber sie war längst nicht so schlank und biegsam wie Genevieve. Auch ihr Gesicht erschien Hugh bei Weitem nicht so perfekt wie das seiner Verlobten.
„Kommt, Mylord.“ Auffordernd streckte die Dirne ihm die Arme entgegen. „Warum lasst Ihr mich warten?“
Weil ich Genevieve nicht vergessen kann, wäre die richtige Antwort gewesen. Aber Hugh schwieg und warf der Frau nur einen kurzen Blick zu. Er liebte Genevieve, er wollte keine andere als sie zur Gemahlin. Und selbst wenn es nur um ein oberfläch liches sinnliches Vergnügen ging, konnte keine andere ihn wirklich zufriedenstellen. Hatte er nicht gelobt, ihr alles zu geben? Warum war sie dann vor ihm davongelaufen? Sicher, er hatte sie hin und wieder strafen müssen. Aber es war doch nur zu ihrem Besten gewesen. Sie musste lernen, sich wie eine gute Ehefrau zu benehmen. Sie musste begreifen, dass es falsch war, dickköpfig und abweisend zu sein. Eine gute Gemahlin schuldete ihrem Ehemann absoluten Gehorsam.
Unwillkürlich seufzte er auf. Mit Frauen verhielt es sich wie mit Pferden. Man musste sie zähmen. Ja, es war zu ihrem eigenen Vorteil, wenn der Mann ihren Willen brach. Sonst blieben sie wild und einsam. Sonst konnte man ihnen auch keine großzügigen Geschenke machen. Er, Hugh, hatte für Genevieve einen goldenen mit Saphiren besetzten Haarreif besorgt, den er ihr zur Hochzeit übergeben wollte. Zu ihrem dunklen Haar und den blauen Augen würde er wundervoll aussehen.
Jetzt huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Er stellte sich gerade die Hochzeitszeremonie vor, wie er seiner Gemahlin – die bis dahin natürlich gelernt hatte, sich gehorsam und demütig zu verhalten – den Reif aufs Haar setzte. Sie würden so glücklich sein!
Viel Zeit blieb nicht mehr bis zur Heirat. Genevieves Vater war auf dem Weg nach Rionallís. Zwar hatte Hugh ihm eine Botschaft geschickt, dass keine Eile nötig sei, aber der Earl of Longford hatte sich nicht aufhalten lassen. Er würde außer sich vor Zorn und Sorge sein, wenn er bei seiner Ankunft in der Burg seine Tochter nicht vorfand. Und das bedeutete, dass Genevieve schnellstmöglich herbeigeschafft werden musste.
„Verschwindet!“, befahl Hugh der Dirne, die nach einem Blick auf sein hartes Gesicht aus dem Bett sprang, sich in einen Umhang hüllte und zur Tür hinauseilte. Auch Hugh trat auf den Gang hinaus. Ein Diener stand dort bereit, um seine Befehle entgegenzunehmen.
„Ich will Sir Peter sprechen“, erklärte Hugh. Dann schloss er die Tür und nahm sein Hin- und Herwandern vor dem Kamin wieder auf, dessen Feuer hell flackerte.
Es dauerte nicht lange, bis ein Klopfen ertönte. „Herein!“
Sir Peter war noch in seiner Kriegerrüstung. Er grüßte kurz und sagte: „Meine Frau und ich machen uns morgen auf den Rückweg nach England.“
„Es war Eure Aufgabe, Genevieve zu finden und sie nach Rio nallís zurückzubringen.“
„Ihr wisst, dass wir ihre Spur verloren haben. Und wir haben nicht genug Soldaten, um uns weit von der Burg entfernen zu können.“
„Longford hat Euch zu Genevieves Beschützer ernannt, Ihr habt Eure Pflicht vernachlässigt.“
Der ältere Mann warf Hugh einen herablassenden Blick zu. „Ich bin nur meinem Herrn Rechenschaft schuldig. Den Earl habe ich allerdings darüber informiert, dass seine Tochter den Iren in die Hände gefallen ist. Mein Fehler ist das jedoch nicht. Ihr als Genevieves Verlobter wart genauso verpflichtet, sie zu beschützen wie ich.“ Damit verbeugte er sich und verließ die Kammer.
Bebend vor Zorn blieb Hugh zurück. Es dauerte eine Weile, bis er sich so weit beruhigt hatte, dass er den draußen wartenden Diener erneut losschicken konnte.
Diesmal war es Robert Staunton, der Anführer von Marstowes Kriegertrupp, der in Hughs Gemach beordert wurde.
Aus Erfahrung wusste Staunton, dass es nicht klug war, es seinem Herrn gegenüber an der nötigen Achtung fehlen zu lassen. Mit gesenktem Kopf ließ er Hughs Vorwürfe über sich ergehen.
„Warum haben Eure Leute Lady Genevieve nicht zurückgebracht? Warum habt Ihr Eure Pflicht nicht erfüllt?“
„Sir, mir stehen dreißig Mann zur Verfügung. Ich betrachte es als meine erste Pflicht, zusammen mit ihnen die Burg zu schützen. Wenn MacEgan angreift, ist er uns weit überlegen. Es heißt, dass er mehr als dreihundert Mann
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