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Mein irisches Tagebuch

Mein irisches Tagebuch

Titel: Mein irisches Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Giordano
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Höhe von Lag fällt der Blick über den Ausgang des vom River Swilly durchströmten gleichnamigen Sees auf Fanad Head - es gibt kein County mit so unbeschränkter Weitsicht wie Donegal.
    Dann die Küste von Malin Head: zerrissen, zerklüftet, von unzähligen Felsrunzeln ebenso entstellt wie geologisch geadelt -eine Narbe der prächtig erhaltenen späteiszeitlichen Küstenlinien entlang Irlands nördlichen Gestaden aus der Zeit vor 15000 Jahren.
    Hart an der See ein Martello Tower, wie alle anderen 1805 auf Befehl der britischen Admiralität als Stützpunkt gegen napoleonische Invasionsabsichten errichtet, später umfunktioniert in einen Leuchtturm, heute und längst schon nur noch bestaunt als Überbleibsel eines so fernen und unglaublichen Europa, in dem Kriege zwischen England und Frankreich noch möglich waren (so kopfschüttelnd, einen Schreibblock in der Hand, ein Student aus Oxford zu einem norwegischen Kommilitonen).
    Aber der nördlichste Punkt Irlands überhaupt ist Malin Head nicht - sein allernördlichstes Hoheitsgebiet heißt Inishtrahull, eine kleine, von hier aus gut sichtbare, leuchtturmbewehrte Insel. Da hinüber zu gelangen ist schwer und ungewiß. Deshalb begnüge ich mich denn damit, so weit nach vorn zu treten, bis die Schuhspitzen vom Atlantik benetzt werden.
    Mit dem Gesicht nach Norden, darf ich mich ungestraft nach hinten lehnen - der Wind aus Südwest, angenehm warm, aber kräftig genug, drückt meinen Rücken hoch. Weich wie Watte, als wenn man sich gegen ein Luftkissen lehnt, könnte ich mich von ihm tragen lassen.
     
    Hinter Letterkenny über den lebhaften River Leannan quer durch Donegal in Richtung Gweedore. Lichter Himmel, strotzendes Grün auch hier, wilde Blumen, dichte Hecken - es kracht und birst nur so von Chlorophyll.
    Aber nördlich des Owencarrow und seines felsigen Bettes weicht das Liebliche, wird es kahl, hat sich die Zivilisation zurückgezogen, herrscht nichts als Natur.
    An beiden Ufern von hohen Abhängen gesäumt, Teil des Glenveagh National Park, streckt sich weit in die Berglandschaft hinein Lough Beagh - im Sonnenlicht ein gleißender Smaragd, im Schatten eine dahindämmernde, unentschlossene Schönheit.
    Beiderseits der R251 die Kahlheit des Hochlandes, Moor, Torffelder. Darauf, winzig, verloren, ein Mann, der unentwegt gefüllte Plastiksäcke zu einem Laster schleppt - seit Stunden der einzige Mensch, dem ich begegnet bin.
    Vor den Muckish Mountains nach Süden abgebogen, sehe ich ihn dann endlich, schon von weitem, den Berg, den ich suche und der mich hierhergeführt hat - Errigal Mountain.
    An die 800 Meter erhebt sich der mächtige Kegel mit klaffenden Hängen und viel losem Gestein, wie eine überdimensionale Abraumhalde - nur daß Menschenkraft nicht ausreichen würde, sie so hoch aufzutürmen. Faltig ist Berg Errigal, ein einsamer Riese, ausgewaschen, abwitternd, ohne geologische Zukunft, aber noch gut für Millionen von Jahren im Widerstand gegen die Erosion durch Salzwind und ewigen Regen.
    Die Donegal Coastal Road hoch zum Tory Sound, rechts übers Wasser Horn Head - Kap Horn -, nicht so sturmumtost wie die Spitze Südamerikas bei Feuerland, doch gischtüberstäubt und ständig berannt von der ungestümen Dünung des Atlantik.
    Draußen auf See, wie ein ungezogener, losgerissener Ableger, Tory Island - ein Leuchtturm, die weißen Häuser von East Town und West Town, und der Landzipfel an der Ostspitze keck nach Norden gekrümmt.
    Weiter nach Ballybofey, vorbei am Aghla Mountain, 600 Meter hoch, scharfe Einkerbungen an den Flanken, enorme Rillen im Zickzack bis in das Tal, die Furchen von der Strömungskraft des Regens um so ausgehöhlter, je tiefer sie sich ziehen.
    Von dunklen Tannen umstanden, schmal, aber lang - Lough Finn, eines von Europas besten Lachsgewässern, heißt es, wie die anderen Seen Donegals in dieser Region am Fuße der Blue Stack Mountains auch.
    Zügig geht es hinunter, und vor Ballybofey dann sanfter Übergang zu lieblichen Fluren - ganz plötzlich liegt das wilde Gebirge weit zurück.
     
    Und eine letzte Strecke noch bis zu einem bestimmten Punkt, an Letterkenny vorbei auf die N 13, davon ein Abstecher querfeldein und immer bergauf, bis sich ein ehern getürmtes Massiv von Steinen, Wällen, Mauerkränzen erhebt, das jede Weiterfahrt verbietet - Grianan of Aileach!
    Ich will ihn nicht erforschen, ich will ihn nur sehen, den me-galithischen »Sonnenpalast«, so die Übersetzung des gälischen Grianan, konnte Donegal einfach nicht

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