Mein ist dein Herz
ein Fakt ist die Tatsache, dass sie keine Angst vor dem möglichen Sturz hat. Und hierbei stellt sich die erste wichtige Frage. Ist sie einfach nur naiv, oder dermaßen verzweifelt, weil sie nichts zu verlieren hat?
Fakt Nummer drei: Diese Nacht, ihre Sanftheit und Unschuld haben etwas Grundlegendes in meinem Denken verändert. Es ist sogar denkbar, dass ich in ihr jene Reinheit und Ehrlichkeit entdeckt habe, welche ich bei jeder anderen schmerzlich vermisste. Dies erklärt aber nur einen Teil meiner plötzlich aufgekommenen Gefühlstiefe.
Allein der Gedanke an eine Trennung treibt mir einen Kälteschauder auf den Rücken und hätte ich ein Fell, würde es sich hiermit sträuben.
Nein! Ich bin ein hoffnungsloser Egoist und möchte, dass sie mir und zu mir gehört. Und zwar ausschließlich.
Gut, soweit habe ich also meine Gefühle geordnet. Was jetzt?
Sie hat mich in sich aufgenommen, obwohl ihr mein ›guter‹ Ruf nicht unbekannt war. Es konnte jedoch genauso gut ein gezielter Schachzug gewesen sein, damit ihr erstes Mal kein Desaster wird. Viel schöner finde ich allerdings die Idee, dass sie dasselbe empfindet, wie ich ...
Dadurch würden die Fragen allesamt überflüssig werden.
Bis dahin sind es trotzdem Fragen über Fragen, die mich quälen.
Aussicht auf Antworten? Fehlanzeige!
Ich zermartere mir so lange den Kopf, bis Janes Müdigkeit auf mich übergeht und mich in eine schöne Traumwelt entführt.
W arme Sonnenstrahlen, der Duft von Kaffee und etwas anderem, süßen, weckt mich auf. Noch bevor ich realisiert habe, wo ich bin, setze ich mich auf und erkenne, dass ich allein auf dem Sofa liege. Janes Platz ist leer.
Fuck! , schimpfe ich in Gedanken und springe von meiner heutigen Schlafstätte. So hätte der Tag nicht beginnen dürfen ...
Schneller als der Wind, schlüpfe ich in meine Hose, gehe zum kleinen Eckschrank, um mein Aussehen im Spiegel abzuchecken und knurre beinahe mein Spiegelbild an, weil die Unordnung auf meinem Kopf sämtliche Grenzen des Chaos überschritten hat.
Hilft jetzt alles nichts, ich muss zu ihr. Einatmen, ausatmen, einatmen und schon stehe ich im Türrahmen zu der winzigen Küche und schaue Jane beim geschickten Wenden von einem pizzagroßen Pfannkuchen zu. Sie schenkt mir sogleich ein zuckersüßes Lächeln, hält meinem eindringlichen Blick stand und deutet auf den Stuhl.
»Kaffee?«
Anstelle ihrer stummen Aufforderung nachzukommen, stelle ich mich hinter sie, umarme ihre Taille und verteile ein paar Küsse auf ihrem Hals. Sie legt mir eine Hand in den Nacken, krault meinen Haaransatz und dreht mir ihr Gesicht zu.
»Hi!«, haucht sie zusammen mit einem Kuss an meine Lippen. Das ist es auch, was ich gebraucht habe. Meine Bestätigung in Form der Zärtlichkeit, die Janes Stimme, Blick und Gesten anreichert. Wäre die letzte Nacht ein Ausrutscher, würde sie sich ganz anders verhalten.
»Ich gehe mich kurz frisch machen ...«, kündige ich an, küsse sie nochmal und verschwinde dann im Bad.
Noch bevor ich mich über das Waschbecken beugen kann, klopft sie an.
»Kannst rein kommen.«
»Ich wollte dir nur schnell zeigen, wo du eine Zahnbürste und ein frisches Handtuch findest ...«, erklärt sie leise und öffnet eine Seite des Hängeschrankes. Hier entdecke ich eine verpackte Bürste, Zahnpasta und weitere Utensilien.
Kaum allein nehme ich den gesamten Inhalt ein weiteres Mal in Augenschein und stelle wiedermal voller Erleichterung fest, dass es nicht ein einziges Anzeichen für männlichen Besuch gibt. Eine einzige Zahnbürste ragt aus dem Glas, es gibt keine Rasierklingen oder Aftershaves.
Nach Abschluss der Morgenhygiene gesellt sich meine Bürste zu der von Jane. Ich trockne mein Gesicht an dem flauschigen Handtuch, kämme die Haare teils mit den Fingern, teils mit ihrem Grobkamm durch und gehe nun seelenruhig zurück.
Jane sitzt wieder auf der Arbeitsplatte und nicht, wie es sich gehört auf dem Stuhl. Ihre zierlichen Hände schmiegt sie an eine überdimensional große Tasse und kaut gedankenverloren an einem Pfannkuchen. Ein bisschen zu lustlos, wenn es nach mir geht. Vor allem, nachdem ich von ihnen koste und mit dem frisch aufgebrühten Kaffee nachspüle.
»Magst du dich nicht zu mir setzen?«, frage ich.
Wie nicht anders erwartet, errötet sie und rutscht sogleich von ihrem Lieblingsplatz runter.
Mir fallen mehrere Sachen gleichzeitig auf: Sie scheint gedanklich ganz woanders zu sein, ist ungeschminkt und bewegt sich so vorsichtig, als ob sie
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