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Mein ist dein Tod

Mein ist dein Tod

Titel: Mein ist dein Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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Welt, hatte Max den Kontakt zu seinem Vater nicht aufrechterhalten, hatte nicht auf ihn aufgepasst? Er hatte gewusst, dass der Mann jenseits der Normalität weilte, und doch ...
    Und so jemand wollte Psychologe werden? Ein Mensch, der sich um andere Menschen kümmerte, der mit Empathie und Fachwissen Seelen heilte, aber nicht wahrnahm, dass Blut dicker war als Wasser?
    Max war erstaunt, dass vor allen Dingen das Kondom ihn beschäftigte. Teilte sein alter Vater wirklich noch das Bett mit Frauen, oder liefen in dieser Wohnung Dinge ab, die Max lieber nicht wissen wollte? Verdammt, es gab Wichtigeres als ein Stück Latex oder Gummi oder weiß der Teufel, woraus die Dinger gemacht wurden.
    Er überlegte, aufzuräumen, denn eines war sicher: Er würde hier auf seinen Vater warten. Er würde ergründen, was mit seinem Vater geschehen war. Entweder jetzt oder nie. Ein zweites Mal würde er sich nicht aufraffen können, so viel war klar.
     
     
    Max war wie paralysiert. Obwohl alles in ihm danach schrie, die Wohnung zu säubern, brachte er es nicht über sich, sondern hockte auf der fleckigen Couch und starrte die Wände an. Vergilbte Fotos unter billigen Rahmen. Graue Erinnerungen an eine Mutter, deren Gesicht er nur von Fotos kannte und deren Grab er noch nie besucht hatte, da er stets meinte, die wirkliche Erinnerung trage man im Herzen, obwohl er sich nicht erinnerte.
    Ein billiger Schwarzweißfernseher. Eine Loewe-Kompaktanlage mit kleinen Schepperboxen. Dunkle Möbel wie vom Trödelmarkt. Eine gebogene Tütenlampe, vor ihm ein Wohnzimmertisch mit einer Tischplatte aus Fliesenbelag, die man hochkurbeln konnte. Der Teppich voller Brandlöcher, alte Zeitungen, die jüngste von vor einer Woche, zwei, drei Sexheftchen, Roth-Händle-Packungen, alle leer. Bierdosen, wohin Max blickte, kein Schnaps. Seit wann trank Vater Bier? Er hatte sich früher nie etwas daraus gemacht. Überall Staub, schmierige Zeitgenossen einer labilen, vermutlich kranken Persönlichkeit.
    Und Stille.
    Erstaunlich Stille, obwohl das Fenster geöffnet war.
    Das Grab eines Sozialhilfeempfängers, der sich immer noch Fertigzigaretten leisten konnte. Der Kühlschrank sprang brummend an, zwei schmutzige Gläser darauf schellten aneinander.
    Es war deprimierend und Max wurde klar, dass er hier nicht länger warten konnte. Es nahm ihn zu sehr mit. Er wollte weg, flüchten, abhauen, nie wiederkehren.
    Er war so sehr in Gedanken versunken, dass er den Block mit der Zeichnung nicht wahrnahm . Als er jedoch aufstehen wollte, fiel sein Blick darauf und er stutzte. Er ging zu dem mit Zeitschriften vollgepackten Sideboard, nahm den Block auf und studierte die Zeichnung. Erschüttert tastete er sich zur Couch zurück und setzte sich wieder.
    Es war also nicht vorbei.
    Noch immer existierte diese Geschichte im Kopf seines Vaters und unversehens auch wieder in seinem eigenen.
    Es handelte sich um eine genau ausgeführte Risszeichnung, perspektivisch fast perfekt. Ein Raum, daneben noch ein Raum. Das Pult, hinter dem ein Mann thronte, das kleine Pult mit den Knöpfen, vor dem ein anderer Mann saß, und der Stuhl nebenan, auf dem ein weiterer Mann Platz genommen hatte. Doch im Gegensatz zum tatsächlich stattgefundenen Experiment war dieser Mann am ganzen Körper verkabelt.
    Darunter genaue Anweisungen. Sogar die Stromzuführungen waren eine Seite weiter exakt bezeichnet. Blitze, das offizielle Zeichen für Strom, zuckten um den Mann herum.
    Abschließend eine Auflistung.
    Minimum 200 Volt, Bewusstlosigkeit nach 3 Minuten, Kandidat 12.
    Maximum 240 Volt, Tod nach 13 Minuten, Kandidat 7.
    Max rutschte der Block aus den Fingern. Er ächzte und starrte auf seine Finger, als würde Schimmel oder Pilz aus ihnen wachsen. Was bedeutete das?
    Das konnte sich nur um eine theoretische Abhandlung handeln.
    Er hörte sich kichern. Anders war das nicht vorstellbar. Nur theoretisch, oder?
    Würde sein Vater jemals dieses Experiment mit Menschen wiederholen? Mit einem Schüler, der tatsächlich den Strom empfing, der irgendwann starb, nach 13 Minuten vielleicht, ermordet von Kandidat 7?
    Falls da s so war, war Dad dem Wahnsinn verfallen.
    Aber wo führte er das Experiment durch?
    Die Garage hatte er geräumt. Außerdem verfügte sie nicht über zwei Räume, die notwendig waren.
    Als er aufblickte, traf sein Blick den von George W. Fielding.
    »Hallo, mein Junge, hast du gut geschlafen?«
    » Dad?«
    » Ja, wer denn sonst?«
    » Ich habe auf dich gewartet.« Max versuchte, wach zu

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