Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein ist dein Tod

Mein ist dein Tod

Titel: Mein ist dein Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
Vom Netzwerk:
Niemand sich darum kümmern, auch wenn es vor allen Augen geschah.
    In stillen Stunden war sie sich ihrer, vorsichtig ausgedrückt, Vorurteile durchaus bewusst. Ihr war klar, dass die Mitbürger der osteuropäischen Länder, vor allen Dingen Russen, inzwischen viel lauter, härter und erbarmungsloser waren als Männer aus dem Islam. Aber es war ein Türke gewesen, der Deniz getötet hatte. Es war ein Türke gewesen, der das Messer geführt und getreten, getreten, getreten hatte.
    Sie kamen nach Deutschland oder waren hier geboren. Die meisten waren arbeitslos und lebten auf Kosten des Staates. Da sie in großen Familiengemeinschaften wohnten, wurde das Geld gesammelt, und jeder konnte sich einen Computer, ein iPhone und einen Flatscreen leisten. Wer ein großes Auto fuhr, dealte oder hatte die Finger in anderen schmierigen Geschäften.
    Lena erinnerte sich, wie sie gelacht hatte, als sie vor einiger Zeit ein Spiegel -Titelbild sah, auf dem die neue Generation der Assimilierten gezeigt wurde, allesamt junge Ausländer mit Krawatte und Anzug. Sie hatte den Bericht gelesen und über das erbärmliche Selbstmitleid dieser geschäftstüchtigen Ausnahmetürken gelacht. Folgte sie einer Talkshow, in der für gewöhnlich eine entrüstete Frau mit Kopftuch saß und die deutschen Teilnehmer dafür gemaßregelt wurden, sich nicht genug um Integration zu kümmern, wallte Zorn in ihr auf. Sie wusste es besser. Diese Leute wollten nicht integriert werden, es sei denn, sie konnten dadurch genug abkassieren, um sich das neue Smartphone zu leisten.
    Zwar war Deniz nicht so gewesen, aber durch ihn hatte sie hinter die Kulissen geblickt . Der verlogene Begriff Mitbürger mit Migrationshintergrund würde ihr nie über die Lippen kommen.
    Sie waren keine Mitbürger, sondern Mitschnorrer.
    Lena leerte den Cappuccino und bezahlte.
    In einer Stunde würde sie sich mit Max treffen. Er hatte ihren Kern freigelegt. Und obwohl sie sich wehmütig an Deniz erinnerte, begriff sie, dass sie noch nie einen Mann so sehr geliebt hatte wie diesen gutaussehenden Psychologen.
    Vor ihm brauchte sie sich nicht zu verstellen. Er begriff sie, denn er dachte ähnlich. Und sie hoffte, dass er sich seinen Wunsch, einen Mord vor den Augen der Öffentlichkeit auszuführen, erfüllen würde.
    Deutschland würde aus den Fugen geraten!
    Doch zuerst galt es einen Besuch zu machen.
    Zwei junge Männer würden ihre Strafe erhalten.

20
     
    Berlin, 1993
     
    Max beschloss, seinen Vater überraschend zu besuchen. Es gab viel zu berichten. Er hatte die ersten zwei Semester hinter sich. Psychologie und Philosophie, zwei Fächer, die zu den anstrengendsten gehörten und einen hohen Aufwand an Konzentration und Lernbereitschaft verlangten.
    Bisher hatte Max alle Klausuren mit Bravour gemeistert.
    Das würde Dad freuen, der vermutlich seine harten Abschiedssätze in der Zwischenzeit vergessen hatte. Und falls nicht ... wenn Max über seinen Schatten springen konnte, würde das auch seine m Dad gelingen.
    Noch immer lebte George W. Fielding in der miesen Bruchbude in Tempelhof, von der aus man einen Blick auf einen dreckigen Hinterhof hatte, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein schien. Niemand würde sich dort wundern, käme eine Frau aus dem Haus, die einen Teppich auf eine Stange hing, um ihn auszuklopfen. Sogar der Geruch war anders. Es roch nach Öl, nach Metall, nach Asche und Abgasen, die sich in die Höfe senkten und je wärmer es wurde, anschwollen wie eiterige Geschwüre.
    Sein Vater war nicht zuhause. Max hatte noch immer den Wohnungsschlüssel, öffnete die Tür und trat ein. Ihm schlug ein erbärmlicher Gestank entgegen. Mülltüten, wohin er blickte, überquellende Aschenbecher, Bierflaschen, in denen Schimmel wuchs.
    Max riss das Fenster auf und mit einem Mal kam ihm der Geruch von draußen wie eine angenehme Brise vor. Er ging durch die Wohnung, denn er musste pinkeln. Die winzige Toilette war seit Monaten nicht mehr gereinigt worden, der Spiegel
    (DEIN IST MEIN TOD!)
    war fleckig und der mit Zahnpasta geschriebene Satz wirkte unverändert.
    Bei allen Göttern des Wahnsinns, warum hatte Dad den Satz nicht weggewischt? Er hatte die Zeit überdauert. Lebte Dad hier nicht mehr? Doch, das tat er, wie Max im Schlafzimmer feststellte, wo er Dinge fand, die eindeutig jüngeren Datums waren, darunter ein benutztes Kondom.
    Max schüttelte sich wie ein Hund mit Flöhen.
    Kalte Finger tasteten über seinen Rücken.
    Was war mit Dad geschehen?
    Warum, um alles in der

Weitere Kostenlose Bücher