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Mein ist dein Tod

Mein ist dein Tod

Titel: Mein ist dein Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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letzten Worte, denn Max sprang vor und nahm ihr das Messer aus der Hand. Er riss den Kopf des jungen Mannes an den Haaren zurück, für Meret noch immer nur eine wütende Geste, und bevor er begriff, was geschah, huschte die Klinge des Messers unter seinem Hals entlang. Ein feiner Halbkreis. Und Lena staunte, wie einfach es aussah, wir nachgiebig die Haut, wie glitschig das Blut war. Sie sprang zurück, wollte nicht von diesem ekelhaften roten Saft benetzt werden, es spritzte wie aus einem Schlauch, der Verletzte rollte weg, während Max sich erhob, seine Waffe auf Stefan gerichtet hielt, und Meret grunzte: »Fuck!«
    Er schien unsterblich zu sein , spuckte Blut, fummelte an seinem Hals herum, dann schwieg er, denn er musste ruhiger werden, auch wenn er es nicht wollte, musste einfach, denn der Lebenssaft lief aus ihm heraus. Schließlich blutete er aus wie ein geschlachtetes Vieh. Zuckte, grummelte, fauchte, blies schaumiges Blut und starb.
    Lena sprang auf, lebendig und verzweifelt gleichermaßen.
    Max hatte ihr das Grauen erspart, hatte für sie getötet.
    » Und er?«, fragte Max und nickte zu Stefan, der neben dem Toten kniete und verzweifelt schluchzte und speichelte wie ein gebrechlicher Hund. Todesangst spiegelte sich auf seinem Gesicht. Die Lippen sprangen auf und zu, doch er war nicht in der Lage, ein vernünftiges Wort zu sagen. Das Blutbad hatte ihn paralysiert. Der Mann war mit dem Blut seines Freundes besudelt. Er würgte und würde sich gleich übergeben.
    Lena stolperte im Wohnzimmer herum und antwortete: »Ist mir egal. Ist mir völlig egal.«
    » Okay«, sagte Max. Er bückte sich, flüsterte etwas in Stefans Ohr, griff hinter dessen Nacken und mit einer schnellen Bewegung brach er ihm das Genick. Es krachte, als sei ein Holzscheit zerbrochen, dann fiel Stefan auf den Rücken. Die Augen stierten ins Leere.
    » Wenn schon, denn schon«, sagte Max. Er sah sie an. Ein Mann, der konsequent gehandelt hatte.
    » Woher ... woher kannst du das? Wer bist du wirklich? So etwas muss man lernen.«
    Max grinste hart. »Ist ganz einfach, wenn man weiß, wie es geht.«
    Lena schwieg. In ihrem Kopf kämpften tausend Teufel miteinander.
    Sie verließen die Wohnung. Im Fahrstuhl fragte Lena: »Warum hast du ihn nicht erschossen?«
    Max grinste, hob die Waffe und drückte ab. »Nur ein Fake. Ich habe keine echte Waffe, aber sie war sehr glaubhaft, oder? Vor allen Dingen die Sache mit dem entsichern.«
    » Ja«, gab Lena zurück. »Ja, sehr glaubhaft.«
    » Und wie fühlst du dich jetzt?«
    Lena fragte sich, ob sie Max die Wahrheit sagen sollte. Sie fühlte sich mächtig, stark, unsterblich. Sie war eine Göttin. Die Göttin über Leben und Tod, denn sie hatte jemanden, der ihre Wünsche erfüllte. Max war ihr Geist aus der Flasche.
    Sie war die Rächerin.
    Sie war stark.
    Sie war mehr als das.
    ALLMÄCHTIG!
    Und er, Max, war der Erfüller.
    Danke, Max! Du hast für mich getötet! Du hast mir deine Liebe bewiesen!
    » Wohin fahren wir jetzt?«, fragte sie.
    » Warum?«, wollte Max wissen.
    » Ich will dich!«
    Er lachte. »Geht mir auch so.«
    » Ich kann kaum erwarten, dich in mir zu spüren.«
    » Dann wollen wir uns beeilen«, sagte er.

22
     
    Berlin, 1993
     
    Als Max erwachte, erinnerte er sich daran, dass sein Vater bei ihm gewesen war. Er ruckte hoch und suchte die Wohnung mit Blicken ab. Er war alleine. Kein Dad, niemand schien die Wohnung betreten zu haben, nachdem er eingeschlafen war.
    Also war es ein Traum gewesen, ein seltsamer Traum.
    Und erstaunlich real.              
    Wie hatte er hier einschlafen können? Er war ausgeruht gewesen, als er herkam.
    Hatte ihn der Gestank bewusstlos gemacht? Selbstverständlich ein bizarrer Gedanke. Obwohl er gelesen hatte, dass es so etwas im viktorianischen London gegeben hatte. In Gegenden, in denen die Seitenarme der Themse so verschmutzt waren, dass sich Blasen auf dem Wasser bildeten, waren Menschen im Sommer durch die Gerüche bewusstlos geworden.
    Schaudernd zog Max die Schultern hoch und rappelte sich auf. Er streckte sich und stolperte in die Küche. Lieber Himmel, wie konnte man eine Wohnung nur so verkommen lassen? Überall Kunststoffverpackungen von Wurst und Käse, Tetra-Packs, zerknüllte Küchentücher, leere Bierdosen, verschimmelte Käseecken, trockenes Brot, dazu Geschirr, massenhaft Geschirr, das sich türmte, Teller mit festgebackenen Essenresten, Tassen, in denen langfellige Kulturen wuchsen. Dreckige Gläser mit braunem Wasser, in dem

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