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Mein ist dein Tod

Mein ist dein Tod

Titel: Mein ist dein Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Ferkau
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die Vater und Mutter vor sich her trugen wie einen schützenden Schild.
    Vielleicht hatten sie gewusst, wovor sie si e schützten wollten.
    Vermutlich waren sie klüger gewesen, als die kleine verliebte Tochter.
    Oder alles war nur ein gottverdammter Zufall geworden, wobei sie den Namen Gottes am liebsten ausgespien hätte.
    » Verdammt, ihr seid Kinder der Flower-Power-Zeit. Wie könnt ihr so denken?« fauchte sie ihre Eltern an. »Ihr habt gegen Kernkraftwerke gekämpft, habt Rockmusik gehört und du, Mama, hast einen Minirock getragen, unter dem man deinen Hintern sah. Und ihr verbietet mir das Recht auf Liebe?«
    Doch ihre Eltern blieben hart.
    Als ihm nichts mehr einfiel, sagte Vater: »Und mit wem soll ich dann grillen, wenn dein Schwiegervater nur Ziegenfleisch frisst?«
    Nach diesem Satz war das Fass übergelaufen. Niemals würde sie so denken, so engstirnig, so .... faschistoid! Schnell stellte sie fest, dass nicht nur ihre Eltern so dachten. Viele taten es, aber die wenigsten sprachen es aus, schließlich hatten sie keine Tochter zu verlieren.
    Es hatte zu viele sogenannte Ehrenmorde gegeben. Die Diskussion über Kopftücher an Berliner Schulen war hochgeschaukelt. Der neu entdeckte Fundamentalismus mancher junger Moslems schlug Wellen.
    » Er wird sein wahres Gesicht zeigen. Warte ab, Lena. Er wird es!« Beide.
    Und Lena war gegangen.
    Tränen auf allen Seiten.
    Und Verhärtung, denn Vater war ein Mann mit Prinzipien. Sogar zur Gerichtsverhandlung waren weder er noch seine Frau gekommen, was Lena beiden nie verzeihen würde.
    Flower-Power? Scheißt drauf, ihr Lügner!
    Sie weinte so viel, dass sie das Gefühl hatte, nicht mehr zu existieren, nur noch Teil eines großen Mee res zu sein, in dessen schwarzen Wasser sie ein für alle Mal versank. Einsamkeit, Isolation, das Gefühl der Ausgrenzung, auch der Schuld, trieben sie in die Dämmerung einer Depression, aus der nur ein Weg heraus führte.
    HASS!
    Nur dieser eine Weg. Ohne ihn wäre sie gestorben. Eingeschlafen in Schwermut.
    Nun hätte sie ihren Eltern eine große Freude bereiten können.
    Denn sie spielte nicht mehr gerne mit Jungen.
    Schon gar nicht mit südländisch anmutenden Jungen. Nun hatte sie sich dem Standpunkt ihrer Eltern nicht nur angenähert, sondern übertraf ihn.
    Voller Abscheu nahm sie die Typen mit ihren übergroßen Hosen, den geschniegelten Haaren und Tätowierungen wahr, die zumeist in kleinen Gruppen durch die Straßen schlenderten, als gehöre ihnen die Stadt, breitbeinig, schaukelnd wie Schiffe und überspannt gestikulierend. Immer parat der kleine Schlag auf den Hinterkopf des anderen, eine Geste, die Lena nie wirklich begriffen hatte und von der Deniz nichts hatte wissen wollen. Wie Wölfe, die sich permanent ihre Rangordnung bestätigten. Stets laut redend oder mit dem Handy am Ohr. Es gab ja so viele, mit denen sie telefonieren konnten. Die Familien waren groß, der Freundeskreis schier unüberschaubar. Und immer und jederzeit wurden Geschäfte gemacht. Und dann noch die Gier nach deutschen Frauen, am liebsten blond. Immerzu geil wie Ratten mussten sie aus religiösen Gründen die Finger von ihren eigenen Mädchen lassen, aber es gab ja noch die weißen Schlampen, die nur zu gerne für einen richtigen Macho die Beine breit machten. Wamsrammeln !, auf Kanakisch. Ihre Schwestern ermordeten sie, wenn diese einen weißen Jungen auch nur ansprachen, sie selbst trieben es wie Paviane.
    Lassma Viktoriapark gehen, Spast. Ich weiß, wo die gibs. Abu, gib mal Handy. Ich bin Alexanderplatz. Wir gehen jetzt so ins Kino so.
    Manchmal, so auch jetzt, saß sie in einem Café und suchte Blickkontakt zu diesen Typen. Es war jedes Mal eine Mutprobe, ihr ganz persönliches Antidepressivum. Sie nippte an einem Getränk und hoffte, sie würde diesen jungen Männern auffallen, was fast immer so war, denn blonde Haare waren für diese schwarzhaarigen Möchtegerne ein Balzsignal erster Güte. Dann versuchte sie, die Kerle mit ihrem Blick festzunageln, und wäre am liebsten aufgestanden, um ihnen ein Messer in die Markenklamotten zu rammen.
    Nicht selten zuckte einer der Achmeds, Izmirs, Muchmats, Alis zusammen , und Lena fühlte sich stark.
    Gleichzeit hatte sie Angst. Was, wenn die Kerle tatsächlich stehen blieben? Sich provoziert fühlten?
    Willschu mich anmachen, oder was?
    Was, wenn sie diese hübsche blonde Frau, die sie so rotzig und anmaßend musterte, vergewaltigten? Niemand in dieser Stadt würde ihr helfen. Jeder würde wegblic ken.

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