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Mein ist der Tod

Mein ist der Tod

Titel: Mein ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
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ihm zu danken.
    Du weißt, wo du ohne mich gelandet wärst. Jetzt, wo es bald aus ist mit mir, musst du deine Bockigkeit endlich aufgeben. Das gehört sich. Ich habe das Beste für dich getan.
    Sie hatte sich umgedreht und war aus dem Zimmer gegangen.

    Als sie nach der Geburt ihres Sohnes Joseph aus dem Kloster der Armen Schwestern vom Herzen Mariae im oberösterreichischen Hohenkirchen zurückgekehrt war, hatten ihr Vater und ihre Brüder erzählt, der Nigger sei bei Nacht und Nebel abgehauen. Wie man das eben von Niggern nicht anders erwarten konnte. Weg, hatte ihr Vater gesagt, kaum, dass du im Kloster warst; und ihr Bruder Gernot hatte wiederholt: Das Vieh ist weg. Helmut hatte genickt.
    Sie sieht noch, wie die drei am Tisch in der Küche saßen, mit dem falschen Bedauern im Gesicht.
    Damals, es war der sonnige Oktober 1945, hatte sie begonnen, an Yoro zu zweifeln. Das war der größere Schmerz. Sie wollte ihre Liebe gegen ihren Zweifel verteidigen, ließ in den Fünfzigerjahren Nachforschungen anstellen, ohne jemals Gewissheit zu bekommen. Was ihr blieb, war ein Gefühl, das sie mehr und mehr ausfüllte: Sie nannte es Trauer, hätte aber nicht sagen können, ob sie um Yoro Mboge trauerte oder um sich selbst. Was sie sicher wusste: Sie hatte aufgehört, irgendeinen Menschen zu lieben.
    Verzeih mir, Iris, sagte sie stumm, ich trauere um dich, aber ich denke an ihn, ich kann nicht anders. Ich wünschte, du wärst am Leben. Aber sein Tod hat ihn für mich gerettet. Meine Liebe hat recht behalten. Meine Ungewissheit ist vorüber. Lass mir Zeit, um dich zu trauern, Iris.

    Über den Garten hatte sich ein Wolkenschatten geschoben.
    Freya wandte sich ab und lenkte ihren Rollstuhl zu einem Sekretär im rechten Erker des Salons. Das behäbige Biedermeiermöbel verfügte über eine Schreibplatte, die man herausziehen und mittels zweier rechts und links auszuklappender Winkelstützen absichern konnte. Der Aufsatz enthielt in der Mitte drei offene Fächer, an die sich beidseits Schubladenelemente mit je vier Zügen anschlossen. Am gebauchten, mit Intarsien geschmückten Giebel ließ sich durch einen verborgenen Mechanismus die Front nach oben kippen. Dem dahinterliegenden Fach entnahm Freya einen flachen, blauen Karton und legte ihn vor sich auf den Schreibtisch.
    Sie war allein in dem Haus, das ihr Vater am Beginn der Fünfzigerjahre der Witwe eines Porträtmalers abgekauft hatte. Günther Korell, der im ersten Stock wohnte und anfangs ihr hilfreicher Mieter, seit zwei Jahren ihr Adoptivsohn war, hatte ihr nach dem Frühstück wie an jedem Freitag die Einkaufsliste vorgelegt, sie hatte ein paar Kleinigkeiten ergänzt, er hatte sich mit einem angedeuteten Wangenkuss verabschiedet und war in die Stadt gefahren.
    Er war noch keine dreißig, als sie ihn kennenlernte: Poet und freier Werbetexter, kein schlechter Koch, wie er sich selbst vorstellte. Sein Lächeln hatte ihr auf Anhieb gefallen, seine schlaksige Figur, über einsneunzig, wirre schwarze Haare, die ihm in die Stirn fielen, ein schmales, fast zartes Gesicht mit rundem Kinn. Nur die graugrünen Schildkrötenaugen passten nicht zu seinem jungenhaften Aussehen. Freya hatte ihm das obere Stockwerk der Villa vor allem seiner Hände wegen vermietet, die, mit ihren eigenen Worten, gotisch schön waren. Wer so zierliche, schmal zulaufende Hände hat, wusste sie, ist vertrauenswürdig. Er hatte ihr knapp berichtete, dass sein Vater 1978 nach Indien abgehauen und dort verschollen war, und dass er seine Mutter zwei Jahre später verlor. Damals war er vier. Von seinen Pflegeeltern wollte er nur erzählen, dass er ihren Namen, Korell, trug und sie nicht geliebt habe. Beide seien inzwischen verstorben.
    Freya hatte schnell eine, wie sie meinte, mütterliche Zuneigung zu ihm gefasst. Als sie sich eingestand, dass er sie mehr verwirrte als rührte, schlug sie ihm die Adoption vor, um ihn wenigstens zu ihrem Erben zu machen.
    Besser hätte er es nicht treffen können. Er bewunderte die Art, in der Freya ihr abhängiges Leben meisterte, und fing bald an, das leichte Dasein in ihrem Haus zu genießen. Mit ihrer Partner-Kreditkarte war er frei von Geldsorgen. Allerdings ging nach jeder Abbuchung eine Nachricht des Kartenunternehmens auf ihrem Mobiltelefon ein. So war die Art der Paintners. Vielleicht wusste er das, jedenfalls hatte er ihr noch nie private Ausgaben verschwiegen. Seine gelegentlichen Werbeeinkünfte konnte er sparen. Der mühelose Alltag in Freyas Villa war für ihn

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