Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein ist der Tod

Mein ist der Tod

Titel: Mein ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
Vom Netzwerk:
vor:
    Betrifft: Computerspiel. Der Hintergrund mit dem Feuer über den Mauern stammt aus einem Bild von Delacroix. Es heißt »Dante und Vergil, von Phlegyas geleitet, fahren über den See, der die Mauern der Höllenstadt Dis umgibt« und stammt aus dem Jahr 1822. Hängt im Louvre. Allgemein bekannt unter dem Titel »Die Dantebarke.« Also ein Bild zu Dantes »Göttlicher Komödie«! Vielleicht steckt dort die Lösung, ich hab das nie gelesen, aber du bestimmt. Ich weiß nur, dass Delacroix selber Teile daraus übersetzt hat und dass er sich von jemandem aus dem italienischen Original vorlesen ließ, während er an dem Bild gearbeitet hat. Der italienische Text auf der DVD stammt vielleicht aus dem Dante? – Also: Streng dich an. Gruß, Alexander
    Der Redakteur fühlte sich ertappt: Mehr als Zusammenfassungen und Inhaltsangaben kannte auch er nicht von Dantes Werk der Weltliteratur. Es dauerte, bis er sich Originaltext und Übersetzungen aus dem Internet so heruntergeladen hatte, dass er sie vergleichend lesen konnte.
    Die Suche nach dem Text, der als Flammenschrift in dem Computerspiel erschienen war – la quale ella mangiava dubitosamente. Dann aß sie, wohl bedacht, das Herz, das in der Hand ihr brennend dargeboten ward –, ergab zwar Treffer bei Dante, doch nicht aus der Commedia , sondern aus seinem Jugendwerk Vita Nova . Die Stelle folgte auf das Vide cor tuum , Siehe dein Herz.
    Es ging darin um einen Traum Dantes, in dem die von ihm geliebte Beatrice, die Beherrscherin seiner Gedanken, la donna della mia mente , aufgefordert wird, ihr eigenes, brennendes Herz zu essen. Ein Bild ihres Todes.
    Herking begriff, dass er auf der Spur des Rätsels war und den Schlüssel zu weiteren Räumen des Computerspiels nah vor sich hatte. Auch wenn die DVD längst bei der Zungener Polizei lag und er seine Recherchen nicht überprüfen konnte – der Täter hatte sein System der Camouflage verraten: Dantes großes Werk aus dem vierzehnten Jahrhundert.
    Er wurde von einer Art Jagdfieber gepackt und las sich im ersten Teil der Göttlichen Komödie – Hölle – fest. Langsam und ohne dass er sich dessen bewusst war, nahm die Dichtung von ihm Besitz, und er vergaß mehr und mehr den Anlass, aus dem er zu lesen begonnen hatte.

    Du kannst dich der Untersuchung nicht einfach verweigern, sagte Michaela Bossi, dazu steckst du schon viel zu tief drin!
    Swoboda stand auf der anderen Seite des Küchenblocks am Herd. Er hatte im Kühlschrank noch vier Eier gefunden und in die Pfanne geschlagen.
    Siehst du dieses Gelb?, fragte er. Das ist zum Beispiel eindeutig kein Auferstehungsgelb, es ist ein Gelb ohne Licht, ein schönes Gelb, aber eben ein sehr irdisches, sattes, cholesterinhaltiges, wenn du verstehst, was ich meine.
    Ich verstehe nur, dass du dich stur stellst und weigerst, die Tatsachen zu sehen. Es geht um den Tod von zwei jungen Frauen und um einen Mord, der vielleicht sechzig Jahre zurückliegt.
    Nein, widersprach er, teilte die Spiegeleier auf und ließ sie auf zwei Teller gleiten. Es geht nicht um den Tod, es geht um die Auferstehung, und die Aufgabe, dieses höchst unwahrscheinliche Licht, respektive seine Farben, wenn es denn welche hat, herauszufinden, nimmt mich nun einmal vollständig in Anspruch. Guten Appetit.
    Michaela Bossi stöhnte und gab sich scheinbar geschlagen. Wenigstens schmeckten die Eier. Als sie den Frühstückstisch abzuräumen begann, erinnerte sich Swoboda daran, dass ihm schon bei der ersten Begegnung ihre Ähnlichkeit mit seiner Frau Maria aufgefallen war. Acht Jahre nach der Scheidung war Maria an Krebs erkrankt und schon zehn Monate darauf gestorben. Lena machte ihn für den Tod ihrer Mutter verantwortlich und hatte ihm lange nicht verziehen. Sie war jetzt neununddreißig, leitete eine Werbeagentur in Köln, lebte allein. Auch sie hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Michaela Bossi.
    Er half beim Abräumen. Zufällig griffen sie nach dem selben Teller, ihre Hände berührten sich, er zuckte zurück und entschuldigte sich. Sie behielt ihre Hand einen Augenblick zu lang auf dem Teller, so als wartete sie darauf, dass seine wiederkam.
    Swoboda spürte, dass er rot wurde, wandte sich ab und ging ins Atelier. Was war los mit ihm? Er lebte in einer lockeren, unkomplizierten Beziehung mit Martina Matt; sie verstand und schätzte seine Kunst. Dass sie nicht mehr so häufig miteinander schliefen wie in den ersten Monaten, hielt er für normal, nach fünf Jahren war man nun mal nicht mehr so gierig wie nach

Weitere Kostenlose Bücher