Mein ist der Tod
der langsam den Kopf schief legte und zu seiner Kollegin vom BKA hinübersah, als sei sie nicht bei Trost.
Sie beendete die effektvolle Pause mit der Antwort auf die von keinem gestellte Frage.
Der DNA-Vergleich mit dem Skelett vom Fischerhaus Nummer 5 ist eindeutig. Yoro Mboge hatte einen Sohn mit Namen Joseph Boge. Sie ist die Tochter dieses Sohnes. Auch ich habe mich gefragt, wie sie weiß sein kann. Unsere Biologen haben mich belehrt, dass Haut und Haarfarbe sich offenbar nicht in wünschenswerter Regelmäßigkeit an die Mendel’schen Gesetze halten. Frau Mboge hat mir dankenswerter Weise Gegenstände zur Verfügung gestellt, die sie von ihrem Vater erhalten hat.
Damit legte sie die Blechdose mit dem Schriftzug Hühneraugenpflaster Lebewohl auf den Tisch, öffnete sie und entnahm ihr die kleine Blechmarke mit Kette.
Wir haben die Erkennungsmarke aus dem Kriegsgefangenenlager Stalag VIII prüfen lassen. Sie stimmt mit einem Eintrag überein, der aber nicht den wirklichen Namen enthält. Yoro Mboge war im Stammlager nur als Nummer registriert, mit dem Vermerk Durchgang . Nach einem Fluchtversuch wurde er ins KZ Dachau gebracht. Hier gibt es eine Registrierung der Stalag-Nummer, es gibt sogar den Zeugenbericht eines Mithäftlings aus seinem Arbeitskommando darüber, wie Mboge dort gequält wurde: Nach dem Abendappell kam ein SS-Führer zu ihm, um auf seinem nackten Oberschenkel seine Zigarette auszudrücken. Jeden Abend. Außer Sonntag, da fuhr der Sadist zu seiner Familie. Kein Wunder, dass Mboge erneut die Flucht riskierte. Wie er sich von einem Außeneinsatz entfernen konnte, ist nicht dokumentiert oder wurde bewusst verschwiegen. In den Märztagen 1945 kamen große Häftlingstransporte aus den Lagern im Osten nach Dachau, es herrschte Überfüllung, vielleicht zunehmende Unübersichtlichkeit. Jedenfalls ist ihm die Flucht gelungen. Es müssen ihm Menschen geholfen haben, bis er an die Nelda kam. Wir werden wohl nie erfahren, wer die mutigen Wohltäter waren.
Das hier ist ein Spendenabzeichen des Winterhilfswerks und zeigt den Gestiefelten Kater. Auf dem Passfoto ist Freya Paintner als junges Mädchen zu sehen. Damit dürfte klar sein, dass sie die Geliebte von Yoro Mboge war und die Großmutter von Aminata Mboge ist. Ich sehe auch eine gewisse Ähnlichkeit.
Sie gab die Blechschachtel zurück an Aminata. Sylvia Lingenfels schniefte, Törring räusperte sich laut, und Klantzammer sagte leise:
Unfassbar.
Seit er den Namen Aminata Mboge ausgesprochen hatte, fühlte sich Martin Paintner leichter. Die Ratlosigkeit, die sich im Gesicht seines Vaters abzeichnete, bereitete ihm Genugtuung.
Helmut Paintner begann leise zu kichern.
Susi starrte ihren Mann an, als habe sie nicht verstanden, was er gesagt hatte.
Das ist nicht zum Lachen, herrschte Martin Paintner seinen Onkel an, und Helmut hielt sich die Hand vor den Mund.
Gernot Paintner stand auf.
Ich weiß nicht, wer dir diesen Unfug aufgetischt hat, das ist natürlich alles nicht wahr. Ich habe 1950 die vertrauliche Mitteilung von den Armen Schwestern vom Herzen Mariae in Hohenkirchen erhalten, dass der Mischling Joseph Mboge leider an Tuberkulose erkrankt und verstorben sei. Folglich kann er keine Tochter haben.
Diese Geschichte von der TB hat Freya dir schon damals nicht geglaubt, und ich auch nicht, das hast du dir aus den Fingern gesogen!, rief Helmut Paintner dazwischen.
Sein Bruder missachtete den Einwand und fuhr seinen Sohn an:
Wenn sie sich als Tochter ausgibt, schwindelt sie, und du solltest ihr unseren Anwalt auf den Hals hetzen.
Ich habe schon mit Grohe gesprochen. Er rät dazu, ihr ein Angebot zu machen. Für diese Afrikaner ist ja oft wenig Geld schon ein Vermögen.
Das untersage ich dir, schrie sein Vater, und zum ersten Mal schrie er zurück.
Sie ist in der Stadt! Sie heißt Mboge! Und sie ist weiß!
Er beruhigte sich mit zwei tiefen Atemzügen und fuhr fort: Deine sogenannte vertrauliche Mitteilung ist einen Dreck wert. Ob es dir nun passt oder nicht, wir haben eine Negerin in der Familie.
Gernot Paintner hielt sich mit beiden Händen an der Stuhllehne fest. In der entstandenen Totenstille begann Susi zu schluchzen. Ihr Schwager Helmut, den Martin Paintners Mitteilungen auf eine merkwürdige Art zufriedenstellten, sagte ruhig den entscheidenden Satz:
Warum soll sie ein bisschen Geld annehmen, wenn sie alles erben wird?
TAGEBUCH
Wie leicht wird mein neues Leben sein, wenn ich für immer die Aufgabe los bin, der Retter sein zu
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