Mein Ist Die Nacht
verloren hatte.
Allzu gut erinnerte
sie sich in dieser Nacht daran, was mit ihr auf diesem Parkplatz
geschehen war. Und sie erinnerte sich daran, dass ihr dieser Ort im
Niemandsland schon damals unheimlich vorgekommen war. Angst hatte
sie an diesem Ort gehabt, nachdem die Wellen der Leidenschaft
verebbt waren. Es hatte unheimlich im Unterholz geraschelt und
geknackt, daran erinnerte sie sich wieder. Der Wald schien hier
nachts lebendig zu werden.
*
Franka schüttelte
die Vergangenheit ab und warf einen Blick über die Schulter.
Sie versuchte die alte Geschichte aus ihrem Kopf zu verdrängen
und konzentrierte sich auf den Fall. Clay hatte wieder
zugeschlagen.
Das Opfer konnte hier
geschrien haben, wie es wollte. Hier lebte weit und breit kein
Mensch, und nach Einbruch der Dunkelheit hielt sich hier niemand
mehr auf. Von jungen Paaren, die die Abgeschiedenheit des
Waldparkplatzes für ein Schäferstündchen nutzten,
einmal abgesehen.
Franka war eine Idee
gekommen. Sie wandte sich ruckartig vom Wald ab und überquerte
den Platz mit wenigen, langen Schritten. Micha betrachtete sie mit
schräg angelegtem Kopf.
»Alles klar bei
dir?«, fragte er besorgt.
»Natürlich,
alles klar.« Franka lächelte ihn an.
»Einsames
Plätzchen hier, was.«
»Allerdings. Um
diese Zeit halten sich hier höchstens Pärchen für
ein Schäferstündchen im Auto auf, murmelte Franka und
hoffte, dass er keine dummen Fragen stellte, woher sie das
wusste.
»Gut
möglich, würde sich ja anbieten.« Dann verdunkelte
sich Michas Miene. »Moment, ich glaube, ich weiß,
worauf du hinaus willst.«
»Unser erstes
Opfer war nicht nur Model, sie war vor allem als sogenannte
Hobbyhure unterwegs. Sie hat sich in zahlreichen Internetforen
eingetragen, über die sie die Kontakte zu ihren Freiern
herstellte. Da wir keinen Nachweis über ihre Einnahmen finden
konnten, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass sie
sich bei einigen Männern, mit denen sie schlief, umsonst
prostituierte. Alles deutet darauf hin, dass sie ein Doppelleben
führte und nymphoman veranlagt war.«
»Meinst du, dass
es sich bei unserem zweiten Opfer ebenfalls um eine …
Prostituierte handelt?« Micha zog die Augenbrauen hoch. Er
wühlte in der Jackentasche nach seiner zerknautschten
Zigarettenpackung und zündete sich eine Zigarette
an.
»Die
Möglichkeit können wir zumindest nicht
ausschließen«, stimmte Franka nachdenklich zu.
»Es gibt anscheinend einige Frauen mit dieser Neigung. Was
wäre, wenn unser Täter sich hier mit ihr verabredet hat,
um mit ihr Geschlechtsverkehr zu haben? Was, wenn dabei sein Trieb,
das Opfer zu Tode zu beißen, überwog und ihn dazu
hinriss, die Frau nach dem Sex zu … zu
beißen?«
»Dass unser
Täter psychisch krank ist, scheint ja nun
festzustehen.«
»Der Wagen des
Opfers würde dafür sprechen, dass sie einem lukrativen
Taschengeld nicht abgeneigt war. Ich habe bei meiner Recherche
herausgefunden, dass eine Prostituierte pro Treffen um die hundert
Euro einnimmt.«
»Das scheint mir
ein äußerst lukratives Hobby zu sein«, erwiderte
Micha nachdenklich.
»Die Frauen, die
sich auf den einschlägigen Seiten im Internet anbieten, haben
teilweise richtige Preistabellen. Sie lassen sich für jede
Leistung und für die Erfüllung jedes Sonderwunsches extra
entlohnen. Ich glaube, der Name Hobbyhure ist da eher blanke
Ironie. Das ist ein ganzer Gewerbezweig, Micha. Wer sich gut
verkauft, kann davon auch gut leben.«
Micha schüttelte
den Kopf und zog an seiner Zigarette. »Das kannst du
vergessen, Franka. Sie war Architektin und recht erfolgreich im
Job, das haben die Recherchen bereits ergeben. Wir haben bei ihren
Papieren ihre Visitenkarte gefunden, darauf befindet sich der
Hinweis auf ihre Website. Daniela Sauer scheint beruflich fest im
Sattel gesessen zu haben. Das Fahrzeug ist doch kein Hinweis auf
ihre Nebentätigkeit - wenn es denn wirklich eine
gab.«
»Wenn sie eine
so genannte Hobbyhure war, dann war sie mit größter
Wahrscheinlichkeit auch im Internet vertreten, entweder mit einer
eigenen Website oder sie war in einem oder sogar mehreren Foren
registriert, um an ihre Kunden zu kommen. Das lässt sich
nachprüfen, wenn wir ihren Rechner von unseren IT-Spezialisten
durchleuchten lassen.« Sie klatschte in die Hände.
»Worauf warten wir? Es gibt viel zu tun.«
Micha trottete ihr
nach. Franka näherte sich dem Sportcoupe des Opfers und warf
einen bangen Blick in das Fahrzeug. Krüger, der gerade ein
Adhäsionsmittel am
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