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Mein Ist Die Nacht

Mein Ist Die Nacht

Titel: Mein Ist Die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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sich an einer
steilen Schräge befand, und dem ehemaligen Kino
überquert. Breitbeinig stand er dort und zündete sich
eine Zigarette an. »Alles klar?«, fragte er, als Franka
ihn eingeholt hatte. »Du bist mir so melancholisch in letzter
Zeit.«
    Sie zuckte die
Schultern. »Es ist viel passiert in der Stadt, während
ich in Berlin war.«
    »Die Stadt
wartet nicht auf dich.«
    »Sozusagen. Und
ich fange hier total neu an, obwohl ich jeden Ort, an dem ich mich
aufhalte, mit Erinnerungen aus meiner Kindheit und meiner Jugend in
Verbindung bringe.«
    »Das ist es aber
nicht.«
    »Erwischt.« Nun musste
sie lachen. »Ich habe eine Einladung zum Essen bekommen. Von
Bernd.«
    »Erst die Rose,
jetzt die Einladung …« Micha zog die Mundwinkel nach
unten. »Wenn ich mich nicht bald ins Zeug lege, dann schnappt
Bernd mir meine Lieblingskollegin noch vor der Nase
weg.«
    »Blödmann.« Sie
buffte ihn in die Seite. Gemeinsam durchquerten sie die kleine
Passage, die zum Neumarkt führte. Dort angekommen, waren es
nur noch wenige Meter bis zu Wiesingers Shop, der sich auf der
gegenüberliegenden Straßenseite zwischen ein
großes Kaufhaus und einen Schallplattenladen mit dem
tiefsinnigen Namen »Vinyl« duckte.
    Micha betrachtete
bereits die Auslagen im Schaufenster des Sexshops. »Tolles
Angebot hat er, das muss ich ihm lassen.«
    »Komm
schon.« Franka zog ihn zum Eingang. Ein samtroter Windfang
diente als Blickschutz für allzu neugierige Passanten. Die
Beamten standen im Laden und bahnten sich durch das breit
gefächerte Angebot den Weg zum kleinen Verkaufstresen, hinter
dem sich eine gelangweilt wirkende junge Frau aufhielt und
versuchte, eine SMS zu tippen. Als sie die beiden Beamten
erblickte, sah sie auf und lächelte freundlich. Die sieht aus
wie eine brave Hausfrau, dachte Franka
unwillkürlich.
    »Sucht ihr was
Bestimmtes?«, fragte die Hausfrau und Franka konnte sich
nicht vorstellen, das sich die junge Dame mit den Produkten hier
auch nur ansatzweise auskannte.
    Sie griff in die
Jackentasche und zeigte ihr den Dienstausweis. »Hahne mein
Name, Kripo Wuppertal.« Sie deutete auf Micha, der sich
interessiert umblickte. »Mein Kollege, Kommissar
Stüttgen. Wir hätten gern Herrn Wiesinger
gesprochen.«
    Die junge Frau wurde
blass. Sie legte das Handy auf den Tresen und rang verunsichert mit
ihren Händen. »Ich muss sehen, ob er Zeit
hat.«
    »Er wird Zeit
haben müssen«, sagte Micha ruhig, aber bestimmt.
»Ist er da?«
    »Ja, aber er hat
…«, stammelte die junge Angestellte, während sie
von ihrem Hocker herunter rutschte und die Theke
umrundete.
    »Kommen Sie
bitte.«
    Franka grinste Micha
an, und er warf ihr einen Siehst du, es geht
doch- Blick
zu. Sie folgten der Angestellten durch den Laden zu einer Tür
im hinteren Bereich. Sie hielt kurz inne, klopfte an und hielt den
Kopf in das Büro ihres Chefs. Franka und Micha hörten sie
leise sprechen, ohne ein Wort verstehen zu können. Es war
offensichtlich, dass sie Wiesinger vorwarnte. Dann gab sie den
Eingang frei.
    »Herr Wiesinger
lässt bitten«, flötete sie.
    »Oh, vielen
Dank.« Sie betraten das Büro. Von einem Fenster aus
hatte man Ausblick in einen trostlosen Hinterhof. Mülltonnen
unter dem Fenster, zwei geparkte Autos und meterhohes Unkraut, das
sich irgendwann im Sommer den Weg durch den brüchigen Teer an
die Oberfläche gebahnt hatte, um dort vom Wintereinbruch im
Dezember überrascht zu werden und in einen Winterschlaf zu
fallen. Im gut zehn Quadratmeter großen Büro von Bernd
Wiesinger herrschte das Chaos. Rechts gab es Aktenschränke,
die bis zur vergilbten Zimmerdecke aufragten, links einen
Besprechungstisch, der unter der Last unzähliger bunter
Kataloge und Zeitschriften zu ächzen schien. Vor dem Fenster
hatte es sich der Chef gemütlich gemacht. Er saß in
einem ledernen Chefsessel, der an den Kommandostuhl eines
Raumschiffcaptains erinnerte und residierte an einem gläsernen
Schreibtisch, auf dem sich ein Telefon, eine schmale Tastatur und
ein TFT-Monitor befanden. Wiesinger selber war Ende vierzig, hatte
dunkles, bereits lichtes Haar und einen deutlichen Bauchansatz.
Eine unsichtbare Duftwolke von schwerem Aftershave umgab ihn.
Franka kannte die Marke und mochte sie nicht. Sie roch billig. Als
er seine Gäste erblickte, sah er überrascht auf und
richtete sich in seinem Stuhl auf.
    »Die Polizei
beehrt uns«, sagte er mit ebenso übertriebener wie
falscher Freundlichkeit und bot den beiden Platz an. Doch Franka
und Micha zogen es vor,

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