Mein Ist Die Nacht
seine Adresse genannt. Das hätte er
bestimmt nicht getan, wenn er Böses im Schilde führte.
Trotzdem war ihr ein Treffpunkt, an dem sich auch andere Menschen
befanden, lieber. Sie schrieb ihm ihre Zweifel.
›Lieber
wäre es mir in einem Cafe oder Restaurant. Ist nichts
Persönliches, ich will nur sicher
gehen.‹
›Das
verstehe ich. Aber vormittags gehe ich generell nicht aus dem Haus.
Es ist mir zu hell, wenn du verstehst?‹
›Natürlich.‹
Wieder zögerte
sie. Eigentlich sollte sie dem Treffen nicht zustimmen. Eigentlich
war es ihr zu unsicher, einen Fremden in seiner Wohnung zu
besuchen. Andererseits spürte sie das dringende
Bedürfnis, sich ihm anzuvertrauen. Rebecca rang mit sich. Sie
starrte auf den blinkenden Cursor, ihre Finger kreisten über
der Tastatur, ohne einen Buchstaben zu schreiben. Ihr wurde
heiß.
›Also gut.
Ich werde in einer Stunde da sein.‹
›Ich freue
mich, Königin der Nacht.‹
Sie sah, wie er sich
abmeldete. Minutenlang saß sie auf dem Stuhl und betrachtete
den Monitor, doch er blieb offline. Vermutlich musste er jetzt
schnell noch seine Bude aufräumen, dachte sie
schließlich amüsiert. Dann verließ auch sie das
Internet und machte sich fertig. Roland würde schon sehen, was
er von seinem Verhalten hatte.
69
12.35
Uhr
Nachdem sie sich im
Shop der Tankstelle an der Carnaper Straße mit Frikadellen
und einer Ladung frischer Baguettes versorgt hatten, die sie
unterwegs aßen, machten sie sich auf den Weg zu Bernd
Wiesinger. Wie die Recherche von Mellinghaus ergeben hatte,
gehörten Wiesinger insgesamt fünf Sex-Clubs und zwei
Sexshops. Einer davon befand sich in Kombination mit einem
Erotikkino am Elberfelder Neumarkt, unweit des alten Rathauses.
Hier hatte er vor Jahren sein Unternehmen gegründet, und
Mellinghaus hatte in Erfahrung bringen können, dass er in
einem Hinterzimmer des Ladens noch immer sein Büro hatte. Sie
hatten Elberfeld bereits erreicht, als Frankas Handy klingelte. Am
anderen Ende der Leitung war Georg Brackwede von der
IT-Abteilung.
»Ich weiß
nun, wer hinter dem Forum steckt, in dem Mandy Klimmek als
Prostituierte eingetragen war«, fiel er mit der Tür ins
Haus. »Es ist ein gewisser Bernd Wiesinger.«
Micha, der das
Telefonat über den Lautsprecher der Freisprechanlage
mitgehört hatte, machte große Augen. Er hob grinsend den
rechten Daumen.
»Das ist gut zu
wissen, wir sind nämlich gerade unterwegs zu ihm. Vielleicht
informierst du Schimpf von der Sitte schon mal, dass wir ihm bald
einen Kunden liefern.«
»Warte erstmal
ab, was das Gespräch mit ihm ergibt«, empfahl Brackwede.
»Ich werde die Zeit nutzen, um weitere Details in Erfahrung
zu bringen.«
»Wie du meinst.
Wir werden ihm jetzt auf den Zahn fühlen.« Franka
unterbrach die Verbindung.
»Das sieht aus,
als hätte Wiesinger ein Problem«, entfuhr es
Micha.
»Wir haben die
einzelnen Fäden in der Hand, nun müssen wir nur noch den
Knoten lösen«, erwiderte Franka nachdenklich,
während sie am öffentlichen Parkplatz an der Kleinen
Klotzbahn ein Ticket aus dem Automaten zog. Der steile Parkplatz
lag hinter dem ehemaligen Elberfelder Kinocenter, das schon seit
langem leer stand. Sicherlich auch ein nettes Spekulationsobjekt
für einen Immobilienhai, wie Baumann es gewesen war, dachte
Franka in einem Anflug von Galgenhumor. Früher war sie oft
hier im Kino gewesen, das unter den jungen Leuten der Stadt und
unter den Stammgästen des Kinos einfach nur das
»Popcorn-Kino« genannt worden war, weil einer der
Vorbesitzer nur selten zwischen den Vorstellungen durch die
Kinosäle gefegt hatte und man hier mit allergrößter
Sicherheit auf selbiges trat, bevor der Film überhaupt
begonnen hatte. Doch dieser Umstand und die Tatsache, dass es sich
bei dem Mobiliar nicht gerade um die neueste Bestuhlung gehandelt
hatte, hatten das Kino zwischen Klotzbahn und Neumarkt zu einem
Kultkino werden lassen, das sich großer Beliebtheit erfreut
hatte. Einst hatte das Kino über zehn Kinosäle
verfügt, zum Schluss noch über sechs. Brandschutzprobleme
hatten den letzten Inhaber schließlich dazu gezwungen, das
Haus zu schließen. Damit war auch ein Stück Wuppertaler
Kultur für immer verschwunden. Wie so vieles aus Wuppertal
verschwunden ist, dachte sie. Nach ihrer Rückkehr war ihr das
massiv aufgefallen.
»Komm schon,
oder willst du hier Wurzeln schlagen?«, riss Michas Stimme
sie aus den Gedanken. Er war bereits vorgegangen und hatte die
kleine Straße zwischen dem Parkplatz, der
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