Mein Ist Die Nacht
marschierte
durch das kleine Büro, schritt den Raum ab, machte an der Wand
kehrt und wanderte zurück.
»Mit mehreren,
aber die Fotos für das Forum lasse ich nur von einem
Fotografen anfertigen. Dem muss ich nicht jedes Mal neu
erklären, worauf er zu achten hat und was ich von den
Mädchen sehen möchte. Er weiß, worauf es ankommt,
wenn sich ein Mädchen eintragen lassen
möchte.«
»Und Sie
kassieren die Vermittlungsgebühr?« Micha unterbrach
seine Wanderung.
»Ein kleiner
Obolus kommt in meine Kasse, ja. Aber dafür betreibe ich
schließlich den organisatorischen Aufwand.«
»Und was ist,
wenn Ihr Fotograf ein perverser Spinner ist, der die Frauen erst
vergewaltigt und danach zu Tode beißt?«
»Ich habe keinen
Einfluss darauf, was mein Fotograf macht. Aber ich halte Ihre
Mutmaßung für völligen Blödsinn. Und mich
können Sie dafür nicht verantwortlich machen.«
Wiesinger gab sich aalglatt, auch wenn sich auf seiner Stirn
winzige Schweißperlen gebildet hatten.
Am liebsten hätte
Franka ihm eine Ohrfeige verpasst.
»Wir
benötigen den Namen und die Adresse Ihres
Stammfotografen«, forderte Franka. Sie hatte genug
gehört.
70
12.50
Uhr
»Wo willst du
denn hin?« Petra Ziegler blickte ihren Mann überrascht
an. Fast lautlos hatte sie sein Arbeitszimmer betreten und lehnte
mit vor der Brust verschränkten Armen im Türrahmen. Der
Raum war spartanisch eingerichtet: Neben einem Regal, in dem er
seine Akten lagerte, gab es einen zweitürigen Holzschrank, und
in einer Ecke stand ein Computertisch. Die Bekleidung für den
nächsten Arbeitstag drapierte er auf einem hölzernen
stillen Butler. Diesmal hatte er zu einer schwarzen Stoffhose auch
einen dunklen Pulli gelegt, davor stand ein Paar ebenfalls dunkler
Winterstiefel. Er fuhr herum, hatte scheinbar nicht bemerkt, dass
sie den Raum betreten hatte.
»Ich muss noch
mal los«, murmelte er und lächelte sie an.
Er stieg in seine Hose
und erreichte auf einem Bein hüpfend seinen Schreibtisch, um den
Rechner herunterzufahren. Petra wunderte sich ein wenig
darüber, normalerweise schaltete er den Computer tagsüber
nie aus. Unwillkürlich fragte sie sich, ob er ihr etwas
verheimlichte.
»Hast du heute
nicht deinen freien Tag?« Eine Falte hatte sich zwischen
Petras Augenbrauen gebildet.
»Frei nicht,
aber meinen Bürotag.« Er war Bezirksleiter und da war es
nichts Ungewöhnliches, dass Max an einigen Tagen der Woche von
zuhause aus arbeitete.
Petra trat hinter ihn
und schlang die Arme um seine Hüften, die er mit sanftem Druck
löste. »Du scheinst in Eile zu sein«, stellte sie
enttäuscht fest.
»Ja, in einer
Filiale ist das komplette Kassensystem ausgefallen.« Er rang
sich ein Lächeln ab, das allerdings gequält wirkte.
»Es brennt sozusagen.«
»Schade.«
Sie schickte ihre Hände auf Wanderschaft. Ihre Finger glitten
unter den Stoff seines Pullovers, doch ein weiteres Mal schob er
sie sanft fort. »Petra - bitte. Ich muss mich
beeilen.«
»Na gut.«
Nach der leidenschaftlichen letzten Nacht war sie enttäuscht,
als sie von ihm abließ. »Dann werde ich hier auf dich
warten.«
»Darauf freue
ich mich jetzt schon.« Es klang wie eine Floskel. Er
schlüpfte in die Winterstiefel, hauchte ihr eilig einen Kuss
auf die Wange und verließ den Raum. Im Flur schlüpfte er
in seinen Wintermantel, schnappte sich den Schlüssel vom Bord
und war schon im nächsten Moment draußen. Petra trat in
den Flur und blickte auf die verschlossene Tür, durch die er
eben entschwunden war. Als sie hörte, wie draußen ein
Automotor ansprang und sich der Wagen mit heulendem Motor
entfernte, kam ein enttäuschtes Seufzen über ihre Lippen.
Es war höchste Zeit, dass Mittagessen vorzubereiten. Die
Kinder kamen gleich aus der Schule.
71
13.05
Uhr
Sie waren kurz ins
Polizeipräsidium gefahren, um sich mit den anderen zu
besprechen. Auf dem langen Korridor im zweiten Stock rannten sie
einem überraschen Willi Bever geradewegs in die
Anne.
»Was macht ihr
denn hier?«
»Wir hatten
Sehnsucht«, grinste Micha, dann wurde er ernst.
»Können wir dich sprechen?«
»Natürlich.«
Bever führte sie in sein Büro, und sie nahmen am langen
Besprechungstisch Platz. Er schenkte ihnen Kaffee aus seiner
Designerkaffeemaschine ein, die ihm das Team des KK 11 im letzten
Jahr zur Silberhochzeit geschenkt hatten. Bever war ein
Genießer und Kaffeefreund. Während sie aus den
grünweißen Tassen mit dem Logo der Polizeigewerkschaft
tranken, ließ sich der Erste
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