Mein Ist Die Nacht
Franka, die die
Balkontür geöffnet hatte und ins Freie getreten war. Ein
eisiger Wind fegte um die Mauern des Hauses. Schwere Wolken wurden
nach Westen gefegt, und die Sicht auf das trostlose Elberfeld
ließ sie schaudern.
»Hast du deinen
Computer geschützt?«, fragte Micha, als sie wieder ins
Wohnzimmer trat.
»Nein.«
»Siehst du. Das
ist ein Frauenproblem. Ihr seid da viel leichtgläubiger als
wir Kerle. Außerdem gibt es Passwörter nur in schlechten
US- Krimis.« Jetzt grinste er schief. »Wie heißen
die Serien doch gleich? CIS, Schiss und Piss?« Er lachte. Das
Betriebssystem lief, und es hatte tatsächlich nicht nach einem
Code gefragt. »Na bitte.« Micha machte sich am Rechner
zu schaffen, und Franka setzte die Besichtigung der Wohnung fort.
Die Küche war klein, durch ein quadratisches Fenster fiel das
graue Licht des Wintertages in den Raum. Links neben der Küche
gab es ein Bad mit Wanne. Auf dem Spiegelschrank fand Franka einige
Parfümflaschen.
Kein billiges Zeug,
dachte sie anerkennend. Eine zweite Zahnbürste, die Thomas
Belter gehört haben könnte, suchte sie vergeblich. Auch
andere männertypische Utensilien wie Rasierzeug und Aftershave
fand sie nicht. Das Bad gab nichts her, und so hielt sie sich ein
weiteres Mal links und stand in dem fast quadratischen
Schlafzimmer. Ein französisches Bett unter dem Fenster, an der
linken Wand ein Schlafzimmerschrank mit Spiegelfront. Auf einer
kleinen Kommode stand ein Fernseher mit DVD-Player. Einem inneren
Impuls folgend, schaltete sie die Geräte an. In dem
Abspielgerät befand sich eine DVD. Sie drückte die
Starttaste. Kurz darauf sah sie ein junges Paar, das sich auf dem
Bett wälzte und leidenschaftlichen Sex hatte. Die junge Frau
trug halterlose Strümpfe, ansonsten war sie nackt. Sie
spreizte die Beine und bedeutete ihrem männlichen Gespielen,
sich zu ihr zu begeben. Er kniete vor ihr und barg den Kopf in
ihrem Schoß. Kaum, dass er sie oral stimulierte, stöhnte
sie hemmungslos und zog ihn ganz auf sich. Offenbar hatten sich die
beiden für die Filmaufnahme ein Hotelzimmer
gemietet.
»Was guckst du
denn da?«, hörte Franka Michas Stimme aus dem
Wohnzimmer. »Porno?« Er lachte. »Warte, ich komm'
mit gucken!« Tatsächlich näherten sich Schritte,
und kurz darauf erschien seine massige Gestalt im Türrahmen.
»Was geht denn da ab?«, fragte er grinsend und deutete
mit dem Kinn auf den kleinen Fernseher.
»Das sind unsere
beiden Opfer … sehr lebendig.«
Das Grinsen auf seinem
Gesicht verschwand, als er die beiden Gestalten auf dem Fernseher
erkannte. »Stimmt, shit.«
»Scheinen recht
lebensfroh gewesen zu sein. Umso seltsamer ist es, dass sie nachts
zu irgendwelchen obskuren Fotografen geht. Belter war sicher rasend
vor Eifersucht, und ich bin fast versucht, ihn unter Mordverdacht
zu stellen.«
»Wenn er nicht
selber tot wäre, könntest du damit sogar recht
haben.«
Als sich das
kopulierende Paar auf der Mattscheibe in die a-Tergo- Stellung
begab und er sie von hinten nahm, hatte Franka genug gesehen. Sie
war beileibe nicht prüde, aber die Tatsache, dass die beiden
Menschen, die sich dort vergnügten, nicht mehr lebten, verlieh
der Sache einen etwas makabren Charakter.
»Ich will seine
DNA«, murmelte Franka. »Vielleicht finden wir einen
Hinweis.«
»Du glaubst
nicht ernsthaft, dass Belter seine Freundin ermordet hat, nachdem
er sie noch mal gevögelt hat, oder?«
»Ich weiß
nicht, was ich glaube. Aber solange wir keine heiße Spur zu
unserem großen Unbekannten haben, greife ich nach jedem
Strohhalm.« Sie zückte das Handy und wählte die
Nummer der Gerichtsmedizin. Belter lag just in diesem Moment auf
dem Seziertisch.
»Er hatte in den
letzten Stunden vor seinem Tod keinen Geschlechtsverkehr«,
erklärte Kräfting, der Gerichtsmediziner. »Wenn er
ungeschützten Sex hatte, wovon wir in diesem Fall ausgehen
können, dann würden wir an seinen Genitalien auch
Scheidensekret gefunden haben, was aber nicht der Fall ist. Warum
willst du das wissen, Franka?«
»Es ist nur so
eine Idee.«
»Wenn du ,nur so
eine Idee' hast, dann steckt immer mehr dahinter. Ich werde unserem
Freund hier noch mal auf den Busch klopfen. Aber erwarte den
Bericht nicht vor heute Abend.«
»18 Uhr reicht
mir völlig aus. Sagen wir: 17.55 Uhr.« Franka unterbrach
die Verbindung und berichtete Micha von dem Befund der
Rechtsmedizin.
»Wir
hätten, wenn es Belter war, zwar Mandy Klimmeks Mörder,
aber noch lange nicht den von Belter«, murmelte
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