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Mein Ist Die Nacht

Mein Ist Die Nacht

Titel: Mein Ist Die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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soviel steht fest. Baumann ist ein Buch mit sieben
Siegeln, aber was, wenn wir trotzdem auf dem Holzweg sind und der
Mörder nach Baumanns Festnahme immer noch frei
herumläuft?«
    »Dann bleibt zu
hoffen, dass nicht noch ein unschuldiger Mensch sterben
muss«, erwiderte Micha. Er fummelte die zerknautschte
Zigarettenpackung aus der Hemdtasche hervor und zündete sich
einen Glimmstängel an. Das Rauchverbot im Dienstgebäude
ignorierte er wie immer. »Komm, ich lad dich zum Essen ein,
und wir versuchen, den Fall geistig
abzuschließen.«
    Franka zögerte.
Eigentlich wollte sie sich heute mal wieder um ihre Mutter
kümmern. Ob sie dabei aber abschalten konnte, wagte sie selber
zu bezweifeln. Vielleicht war es gar keine schlechte Idee, den
Abend mit ihrem Kollegen zu verbringen. Micha war ein lieber
Kerl.
    »Na gut«,
stimmte sie lächelnd zu. »Aber du
bezahlst.«
    »Das kriege ich
hin«, grinste Micha und führte sie aus dem
Präsidium.

 
    48
    19.10
Uhr
    Rebecca schloss den
Laden ab und aktivierte die Alarmanlage. Eine kleine rote
Leuchtdiode im Innern des Ladens begann zu blinken, ein Signal,
dass die Anlage nun scharf war und mögliche Einbrecher von
ihrem Vorhaben abhielt. Der Drogeriemarkt lag im Einkaufszentrum am
Elberfelder Röttgen. Hier kannte kaum jemand seinen Nachbarn.
Anonymität beherrschte das Straßenbild. Hier wollte ich
niemals leben, dachte sie und freute sich auf ihre Wohnung, die
direkt am Rande des vornehmen Zooviertels lag. Dort bestimmten
hochherrschaftliche Villen aus der Gründerzeit das
Straßenbild. Man achtete und respektierte
einander.
    Nachdem der letzte
Kunde pünktlich um halb sieben den kleinen Drogeriemarkt
verlassen hatte, konnte sie die Kasse abrechnen, den Detektiv nach
Hause schicken und die Ware in den Regalen zum letzten Mal an
diesem Tag vorziehen. Danach hatte sie noch einige Angebote
für den nächsten Tag vorbereitet und den
Personaleinsatzplan, den »PEP«, wie die Tabelle intern
genannt wurde, für die nächste Woche erstellt. Durch
diese Vertretungsaufgabe fühlte sie sich fast so wichtig wie
die Marktleiterin, dabei waren ihre Gestaltungsmöglichkeiten
sehr beschränkt.
    Jedes Sonderangebot,
jedes Plakat, sogar die Anordnung der Waren im Laden, wurden vom
Konzern vorgegeben. Und die Filialleiterin hatte wiederum einen
äußerst pedantischen Bezirksleiter vor der Nase, der die
Richtigkeit der Ausführungen in den Filialen, für die er
zuständig war, stets und mit allergrößter Sorgfalt
überwachte.
    Doch für heute
hatte Rebecca soweit alles Wesentliche erledigt. Der pedantische
Obermotz konnte zufrieden sein. Sie freute sich auf den
wohlverdienten Feierabend. In den gegenüberliegenden
Wohnhäusern brannte bereits Licht. Die Anwohner saßen
vermutlich gerade beim Abendessen zusammen oder sahen fern. Wind
war aufgekommen und wehte kleine Schneeflocken um die
Häuserecken. Wenn es so weiter schneite, würde die Stadt
über Nacht im Schnee
versinken.         
    »Das war ja wohl
nichts heute.«
    Erschrocken fuhr sie
herum und blickte in ein grinsendes Männergesicht.
»Wovon reden Sie?«
    »Die
Quote«, lächelte er. »Die Diebstahlquote. Ich habe
nicht viel erreicht.«
    »Was machen Sie
denn noch hier?«
    »Arbeiten. Das
heißt, jetzt habe ich Feierabend.« Sein Grinsen wirkte
wie eine Maske. Er stand nahe hinter ihr. Sein Mundgeruch wehte ihr
wie eine Wolke aus Fäulnis entgegen. Angewidert wich Rebecca
einen Schritt zurück und prallte mit dem Rücken gegen die
gläserne Front des Marktes, in dem jetzt nur noch die
Notbeleuchtung brannte. Um diese Zeit herrschte in diesem Teil der
Stadt kaum noch Betrieb auf den Straßen.
    Rebecca kam sich
einsam und verlassen vor.
    Und diesem Kerl
irgendwie … ausgeliefert. »Was wollen Sie?«,
stieß sie hervor und spürte, wie ihr das Blut ins
Gesicht schoss. Der kalte Wind, der um die Hausecken fegte, brannte
auf ihrer Haut. Sie kam sich trotz der dicken Bekleidung nackt vor.
Und hilflos. Rebecca spürte, wie ihr Herz zu rasen begann. Der
Detektiv war ihr unheimlich. Schon den ganzen Nachmittag über
hatte er sie immer so seltsam angeschaut, wenn sie im Büro
aufgetaucht war. Abschätzend, taxierend. Lüstern. Wie ein
Stück Fleisch. Und jetzt kam er ihr viel zu nah.
    »Nehmen Sie mich
ein Stückchen mit? Sie haben doch ein Auto,
oder?«
    »Ja, das
heißt, es ist das Auto meines Mannes.« Rebecca
versuchte, Distanz zu schaffen. Dennoch erinnerte sie sich mit
einem unguten Gefühl an Rolands Flucht aus dem Haus. Er war

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