Mein Ist Die Nacht
nicht mit Mark Friedmann betrügen,
aber es konnte nicht schaden, ihm einen Denkzettel zu
verpassen.
»Warum
eigentlich nicht«, sagte sie schließlich lächelnd
und ging vor ihm die Rampe zur Tiefgarage hinunter. Die
Bewegungsmelder schalteten die Beleuchtung ein. Neonröhren
flackerten auf, dann war das Parkdeck in ein gleißendes Licht
getaucht. Auch wenn es hier keine Videoüberwachung gab,
würde sie von dem Detektiv nichts zu befürchten haben.
Rebecca Klein war sich ihrer Sache plötzlich sehr sicher. Und
sie freute sich darauf, mit diesem geheimnisvollen Mann gleich
schon in einer Bar zu sitzen. Roland würde schon sehen, was er
davon hatte.
Als sie in ihrem Wagen
saßen und Rebecca über die verschneite
Hans-Böckler-Straße nach Westen fuhr, räusperte
sich ihr geheimnisvoller Beifahrer. »Das ist mir jetzt
unangenehm«, murmelte er mit schuldbewusster Miene.
»Aber ich habe einen Termin völlig
vergessen.«
»Also kein Drink
in einer Bar?«
»Ich furchte,
daraus wird heute nichts.«
»Schade.«
Rebecca lächelte zu ihm herüber.
»Nun bin ich
spät dran. Könnten Sie mich an einer Adresse abliefern,
die auf Ihrem Heimweg liegt?«
»Natürlich,
gern.« Rebecca nickte und wunderte sich insgeheim, woher
dieser Mann wusste, wo sie wohnte. Wahrscheinlich hatte er im
Personalordner im Büro herumgeschnüffelt.
Er weiß, wo ich
wohne, hämmerte es in ihrem Schädel. Er kann mir dort
auflauern.
Sie verdrängte
die düsteren Gedanken und ließ sich von Friedmann die
Anschrift nennen, zu der sie ihn fahren sollte. Rebecca fragte sich
noch, was er um diese Zeit in einem verlassenen Industriegebiet zu
tun hatte.
49
19.30
Uhr
Nachdenklich blickte
er den Rücklichtern des Wagens nach, die in der Dunkelheit wie
Irrlichter verschwanden. Er war alleine. Die Zeit hatte nicht
ausgereicht, doch er wäre seinem Verlangen, Rebecca zu seinem
Opfer zu machen, um ein Haar erlegen. Immer wieder hatte er im Auto
auf ihre Halsschlagader gestarrt. Sie war ihm so nahe gewesen wie
noch nie zuvor. Es wäre so einfach gewesen, sich zu ihr
herüber zu beugen und die Zähne in das warme Fleisch
ihrer Halsbeuge zu schlagen.
Der Gedanke an ihre
zarte, blasse Haut ließ ihn erschauern.
Langsam nur beruhigte
sich sein Puls, doch er zwang sich zur Ruhe. Er musste
vernünftig sein und die Dinge nacheinander angehen.
Zunächst musste er die Spuren seiner letzten Sklavin
beseitigen, bevor er sich ein neues Opfer suchen konnte. Wäre
da nur nicht diese Gier nach dem warmen Blut und Fleisch einer
jungen Frau.
Er seufzte
gequält und setzte seinen Weg zu Fuß fort. Das Rauschen
der nahen Autobahn schwappte gleichmäßig an seine Ohren.
Kein Mensch war weit und breit zu sehen, und er war sicher, den Ort
des Geschehens gut ausgewählt zu haben.
Der nächste Akt
seines grausigen Schauspiels konnte beginnen.
Obwohl es in diesem
Teil des Industriegebietes kaum Straßenlaternen gab, fand er
sich recht gut in der Dunkelheit zurecht. Vielleicht war es auch
Einbildung, aber er glaubte, dass sich sein Sehvermögen bei
Nacht und Dunkelheit in den letzten Tagen stark verbessert hatte.
Kaum zu glauben, dass er vor wenigen Wochen noch nachtblind gewesen
war, dachte er triumphierend. Ja, er war zu einem Wesen der Nacht
geworden, und er würde eine Blutspur durch die Stadt ziehen.
Junge, willige Opfer fanden sich immer wieder. Und hätte er
nicht diese wichtige Verabredung, dann hätte er sich jetzt
schon intensiv dieser wunderschönen Rebecca
gewidmet.
Als er an seinem Ziel
angekommen war, registrierte er, dass in dieser Gegend kaum noch
Schnee lag. Er schlug den Kragen seines dunklen Mantels hoch und
stapfte auf das verlassene Gebäude zu. Es gab noch viel zu
tun, bevor er sich wieder mit einer Frau vergnügen konnte.
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Er hatte Zeit.
50
20.10
Uhr
Wenn es in Wuppertal
schneite, dann blieb die weiße Pracht meist nicht lange
liegen. So war es auch heute. Nach dem erneuten Wintereinbruch am
Morgen war die Temperatur gestiegen und hatte den Neuschnee, der in
der Nacht gefallen war, in eine nasse Pampe verwandelt.
Die Straße
Deutscher Ring verlief an dieser Stelle fast parallel zur Autobahn
46 in Richtung Westen. In dem kleinen Industriegebiet im
Wuppertaler Ortsteil Varresbeck herrschte kaum Verkehr um diese
Uhrzeit, und Baumann hatte diesen Termin bewusst an das Ende seines
Tagespensums
gelegt.
Ein seltsames Treffen
zwischen ihm und einem geheimnisvollen Interessenten.
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