Mein Ist Die Nacht
monotone
Klang seiner Stimme: Er sprach über das, was ihr blühte,
so, als würde er mit ihr über das Wetter plaudern.
Nachdem sie die Tragweite seiner Worte verstanden hatte, blickte
sie nach rechts. Er lächelte immer noch. In seiner Hand lag
eine Pistole, und die Mündung war auf sie gerichtet. Und um
ein Haar wäre sie mit dem Wagen in den Graben
gerutscht.
55
22.05
Uhr
Sie hatte ihm nicht
auf die Nase gebunden, dass sie zuerst geplant hatte, mit dem
Detektiv aus dem Drogeriemarkt auf einen Drink in eine Bar zu
gehen. Durch den kleinen Umweg in das Industriegebiet am Rande der
Stadt war sie nur unwesentlich später nach Hause gekommen, und
Roland hatte keine Fragen gestellt. Ihre Verspätung war nichts
Außergewöhnliches, denn manchmal bereitete sie nach
Ladenschluss schon mal die Angebote für den nächsten Tag
vor.
Das kurze Zusammensein
mit Mark Friedmann im Auto hatte sie auf eine nicht definierbare
Weise aufgewühlt. Zuhause angekommen, war Rebecca kurz
angebunden gewesen und hatte sich sofort an den Rechner gesetzt,
kaum dass sie die Wohnung betreten hatte.
Roland hockte in einer
ausgebeulten Jogginghose auf der Couch, trank Bier und rülpste
immer wieder laut. Heute gibt er sich aber ganz besonders viel
Mühe, mich auf Distanz zu halten, dachte Rebecca, und
ließ sich ihren Zorn nicht anmerken. Sie wählte sich ins
Internet ein und besuchte ihr Lieblingsforum.
Roland beobachtete
sie, schüttelte den Kopf, nahm einen tiefen Schluck aus der
Bierflasche und rülpste erneut. »Es kotzt mich an, dass
du in jeder freien Minute vor der Kiste hockst und mit anderen
Kerlen chattest«, brummte er und bohrte in der
Nase.
»Und mich kotzt
es an, dass du dich hier gehen lässt wie ein Penner«,
erwiderte Rebecca, ohne den Blick vom Monitor
abzuwenden.
Wie zur
Bestätigung ihrer Worte hob Roland den Hintern und furzte
laut. »Ich kann nicht anders, wenn ich Frust schiebe. Klingt
gut, oder?« brummte er. Seine Zunge war schwer, und Rebecca
vermutete, dass das Bier auf dem Tisch nicht das erste war, das er
heute in sich hinein gekippt hatte. Normalerweise trank ihr Mann
nicht mehr als ein, zwei Flaschen am Abend. Immerhin hatte er einen
verantwortungsvollen Job und konnte es sich nicht leisten, mit
Restalkohol im Blut Bus zu fahren.
»Den Frust
zelebrierst du aber ganz gut«, antwortete sie.
»Leck mich.
Hör einfach auf, dich da mit anderen Kerlen zu amüsieren.
Du bist meine Frau, hörst du? Du gehörst mir, und sonst
niemandem!« Mit der Flasche zeigte er in Richtung des
Computers. Das Bier lief über und sickerte an dem braunen Glas
der Flasche herab, um einen unansehnlichen Fleck auf dem hellen
Teppich zu hinterlassen.
»Ich gehöre
mir. Sonst keinem«, verbesserte Rebecca ihn. Er machte keine
Anstalten, sich zu erheben, um den Fleck im Teppich zu entfernen.
So widmete sie sich dem Bild, das sich ihr auf dem Monitor bot.
Rebecca stellte fest, dass Er nicht online war. Sie waren doch
verabredet im Chat, dachte sie enttäuscht. »Und ich habe
dir gestern schon gesagt, dass ich nicht fremdgehe. Du solltest mir
einfach mehr vertrauen. Ich weiß schließlich auch
nicht, wie viele schöne Frauen tagsüber zu dir in den Bus
steigen und mit dir flirten.«
Jetzt erhob er sich
doch und wischte mit dem Socken über die nasse Stelle am
Boden. »Willst du's wissen? Sie steigen ein, fahren dann ein,
zwei oder vielleicht auch fünf Stationen mit mir und sind an
einer der nächsten Haltestellen auch schon wieder für
immer verschwunden«, erwiderte er gallig und kippte noch mehr
Bier in sich hinein. Seine Augen waren glasig, als er wieder auf
das Sofa sank. »Denk doch, was du willst.«
»Sowieso«,
nickte Rebecca verbittert. Leere breitete sich in ihr aus. Sie
spürte das Vakuum in seinem Herzen fast körperlich und
begann zu frösteln. Hatte sie sich denn so in diesem Mann
getäuscht, den sie doch erst vor wenigen Monaten geheiratet
hatte? Roland war es gewesen, der sich in den letzten Wochen um
hundertachtzig Grad gedreht hatte. Früher hätte er
zumindest versucht, ihre Gefühle zu verstehen. Tränen der
Wut traten in ihre Augen, und sie sehnte sich nach Clay. Er war
verständnisvoll und sensibel, er hielt sie nicht für
verrückt. Wo war er bloß heute Abend? Sie rief sein
Profil auf, doch auch dort wurde angezeigt, dass er
tatsächlich nicht online war. Enttäuscht verließ
sie das Forum.
Vielleicht würde
sie es später noch einmal versuchen. Jetzt gab es sowieso
andere Probleme. Roland stand auf und
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