Mein ist die Stunde der Nacht
ein Nachbar könnte es aus einem Fenster im ersten Stock sehen und die Polizei alarmieren. Die Leute gingen schließlich davon aus, dass zurzeit niemand in Lauras Haus wohnte.
Robbys Wagen – mit seiner Leiche im Kofferraum – nahm die eine Hälfte der Garage ein. Auf dem zweiten Stellplatz stand der erste Mietwagen, der womöglich Reifenspuren hinterlassen hatte an dem Ort, an dem er Helen Whelan getötet hatte. Er musste eines dieser Autos loswerden, damit in der Garage Platz war für sein jetziges Mietauto. Über den Mietwagen würde man ihm auf die Spur kommen, überlegte er. Ich muss ihn so lange behalten, bis ich ihn gefahrlos zurückgeben kann.
Ich bin schon so weit gekommen, dachte die Eule. Es war ein weiter Weg bis hierher. Ich kann jetzt nicht aufhören. Es muss zu Ende gebracht werden. Er betrachtete das Sandwich und den Kaffee, den er für Laura besorgt hatte. Ich habe nichts zu Abend gegessen, dachte er. Was macht es für einen Unterschied, ob Laura heute Abend etwas isst oder nicht? Sie wird morgen sowieso keinen Hunger mehr haben …
Er öffnete die Tüte und begann, das Sandwich langsam zu essen. Dazu trank er den Kaffee und dachte, dass er ihm schwarz besser schmeckte. Als er fertig war, stieg er aus, schloss die Küchentür auf und ging hinein. Statt die Treppe zu Lauras Zimmer hinaufzugehen, öffnete er die Tür, die von der Küche zur Garage führte, und schlug sie absichtlich hinter
sich zu, bevor er die Plastikhandschuhe überstreifte, die er immer in der Tasche seines Jacketts trug.
Laura würde den Lärm hören und vor Angst zittern bei dem Gedanken, dass jetzt vielleicht die Zeit gekommen war, da er sie töten würde. Sie musste mittlerweile aber auch Hunger haben und hoffen, dass er ihr etwas zu essen brachte. Nach einer Weile, wenn er die Treppe immer noch nicht heraufkam, würden sich ihre Angst und ihr Hunger so steigern, bis ihr Wille gebrochen sein würde und sie bereit wäre, das zu tun, was er von ihr verlangte, bereit, ihm zu gehorchen.
In gewisser Weise hätte er sie gerne beruhigt und ihr versichert, dass bald alles ausgestanden sei, weil dieser Gedanke auch ihn beruhigte. Er begriff, dass es die Schmerzen in seinem Arm waren, die ihm Sorgen machten und ihn ablenkten. Zunächst hatte es ausgesehen, als würden die Bisswunden heilen, aber jetzt hatte sich die schlimmste Wunde erneut entzündet.
Robbys Schlüsselbund steckte immer noch im Zündschloss. Angeekelt von dem Gedanken an Robbys Leiche, die zusammengekrümmt und mit einer Decke zugedeckt im Kofferraum lag, drückte er das Garagentor auf, stieg in Robbys Wagen und fuhr ihn hinaus. Innerhalb von wenigen Minuten, die ihm aber wie eine Ewigkeit vorkamen, stand der zweite Mietwagen, den Blicken entzogen, in der Garage.
Die Eule schaltete das Licht erst ein, als er bereits ein Stück auf der Straße gefahren war, dann brachte er Robby Brents Wagen die wenigen Meilen hinunter zu seinem letzten Ziel, dem Hudson River.
Vierzig Minuten später, nachdem er sein Vorhaben ausgeführt und von der Stelle, wo er das Auto versenkt hatte, zu Fuß zum Hotel zurückgelaufen war, befand er sich wieder in seinem Zimmer. Sein Plan für den morgigen Tag war sehr gewagt, aber er wollte sich bemühen, die Gefahren auf das
geringstmögliche Maß zu beschränken. Vor Tagesanbruch wollte er zu Lauras Haus laufen. Vielleicht würde er Laura dazu bringen, Meredith anzurufen und sich als ihre leibliche Mutter auszugeben. Laura würde sie bitten, sich nach dem Frühstück nur für ein paar Minuten außerhalb von West Point mit ihr zu treffen.
Meredith weiß, dass sie adoptiert wurde, dachte die Eule. Sie hat darüber ganz offen mit mir gesprochen. Und jedes neunzehnjährige Mädchen würde sofort nach der Möglichkeit greifen, ihre leibliche Mutter kennen zu lernen, dessen war er sich sicher.
Und wenn er Meredith in seiner Gewalt hatte, würde er Laura zwingen, Jean anzurufen.
Dieser Sam Deegan war nicht dumm. Möglicherweise beugte er sich gerade in diesem Moment über die Akten der anderen Mädchen von der Tischrunde und ging den Unfällen nach, die keine gewesen waren. Erst mit Gloria habe ich angefangen, meine Signatur zu hinterlassen, dachte die Eule, und der größte Witz dabei ist, dass die blöde Kuh den ersten Anhänger selbst gekauft hat.
»Du hast es geschafft, aus dir ist ja wirklich was geworden. Wenn ich bedenke, dass wir dich immer ›die Eule‹ genannt haben«, hatte sie lachend gesagt, etwas angetrunken und immer noch
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