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Mein ist die Stunde der Nacht

Mein ist die Stunde der Nacht

Titel: Mein ist die Stunde der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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in ihrem Einkaufskorb haben.
    Trotzdem, versuchen kann man’s, dachte Sam grimmig. Er erinnerte sich an das Foto der lächelnden Helen Whelan, das er in ihrer Wohnung gesehen hatte. Sie war zwanzig Jahre älter gewesen als Karen Sommers damals, aber auf die gleiche Weise ermordet worden – blindwütig erstochen.
    Das Nieseln, das den ganzen Tag mal stärker, mal schwächer gewesen war, hatte sich in strömenden Regen verwandelt. Sam schaltete den Scheibenwischer ein und runzelte die Stirn. Nein, es konnte keine Verbindung zwischen diesen beiden Fällen geben, dachte er. In den letzten zwanzig Jahren ist niemand in dieser Gegend auf ähnliche Weise erstochen worden. Karen wurde in ihrem Haus überfallen. Helen Whelan war draußen, führte ihren Hund aus. Aber dennoch: Wäre es denkbar, dass irgendein Irrer sich über all die Jahre einfach nur ruhig verhalten hat?
    Alles war möglich, entschied Sam. Bitte, lass ihn unvorsichtig gewesen sein. Gib, dass er etwas fallen gelassen hat, das uns zu ihm führen könnte. Wenigstens haben wir DNA-Spuren. Das Blut an den Barthaaren des Hundes muss von ihm stammen, der Fleck an ihrer Hose vielleicht auch.
    Er war beim gerichtsmedizinischen Labor angekommen, parkte den Wagen, stieg aus, schloss ab und ging hinein. Es würde eine lange Nacht werden und morgen ein noch längerer Tag. Er musste den Pfarrer von St. Thomas aufsuchen und ihn überzeugen, die Taufakten von vor zwanzig Jahren zu öffnen. Er musste Kontakt zu den Angehörigen der fünf Frauen aufnehmen, die in Stonecroft gewesen und in der Reihenfolge gestorben waren, in der sie am Mittagstisch gesessen hatten – er benötigte mehr Details darüber, wie sie zu Tode gekommen waren. Und er musste herausfinden, was mit Laura Wilcox passiert war. Wenn nicht diese fünf Todesfälle in ihrer Klasse wären, würde ich sagen, sie ist einfach mit irgendeinem Typen losgezogen, dachte er. Was ich so
gehört habe, ist sie ganz schön lebenslustig und nie längere Zeit ohne Mann geblieben.
    Der Gerichtsmediziner und der Krankenwagen mit Helen Whelans Leiche trafen nur wenige Augenblicke nach ihm ein. Eine halbe Stunde später betrachtete Sam Kleidung und Gegenstände, die man bei der Leiche geborgen hatte. Ihre Armbanduhr und ein Ring waren die einzigen Schmuckstücke. Sie hatte vermutlich keine Handtasche dabei, denn ihr Hausschlüssel und ein Taschentuch waren in der rechten Jackentasche gefunden worden.
    Neben dem Schlüsselbund lag noch ein einzelner Gegenstand auf dem Tisch: eine Eule aus Metall, vielleicht zweieinhalb Zentimeter groß. Sam nahm die Pinzette, die der Assistent benutzt hatte, als er die Schlüssel und die Eule auf den Tisch gelegt hatte, griff sich die Eule und untersuchte sie aus der Nähe. Die starren Augen, groß und kalt, begegneten seinem Blick.
    »Das steckte ganz tief unten in ihrer Hosentasche«, sagte der Assistent. »Um ein Haar hätte ich es übersehen.«
    Sam erinnerte sich, dass er einen Kürbis vor der Tür von Helen Whelans Gartenwohnung gesehen hatte sowie ein Skelett aus Papier in einer Schachtel im Flur, das sie wohl irgendwo hatte aufhängen wollen. »Sie war gerade dabei, eine Dekoration für Halloween vorzubereiten«, sagte er. »Wahrscheinlich gehörte das hier auch dazu. Pack alles in Tüten, dann nehme ich es mit ins Labor.«
    Vierzig Minuten später sah er zu, wie Helen Whelans Kleider unter dem Mikroskop auf irgendwelche Indizien, die zu dem Täter führen könnten, untersucht wurden. Ein anderer Mitarbeiter untersuchte die Wagenschlüssel nach Fingerabdrücken.
    »Die gehören alle zu ihr«, bemerkte er und nahm mit der Pinzette die Eule auf. Ein paar Sekunden später sagte er: »Merkwürdig. Auf diesem Ding gibt es keine Fingerabdrücke, nicht mal Spuren davon. Wie soll das vor sich gegangen
sein? Schließlich ist es nicht von allein in ihre Tasche gewandert. Es muss jemand hineingesteckt haben, der Handschuhe trug.«
    Sam dachte einen Moment nach. Hatte der Mörder die Eule absichtlich hinterlassen? Er war davon überzeugt. »Kein Wort an die Presse darüber«, sagte er knapp. Er ergriff die Pinzette, nahm die Eule und starrte sie an. »Du wirst mich zu diesem Kerl führen«, murmelte er. »Ich weiß nur noch nicht, wie.«

36
    SIE WAREN UM SIEBEN UHR im Speisesaal verabredet. Im letzten Moment beschloss Jean, sich doch noch umzuziehen, und schlüpfte in eine dunkelblaue Hose und einen hellblauen Pullover mit einem weiten, lose fallenden Kragen, den sie bei Escada im Schlussverkauf

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