Mein Jakobsweg
bis ich wieder bei ihr bin. So erreichen wir schließlich irgendwann Cacabelos: Erleichterung - und gleich darauf Enttäuschung, denn die Herberge ist nicht mehr am Ortsanfang, wie in meinem Buch beschrieben. Von einem Schattenfleck zum nächsten schleppe ich mich noch durch den ganzen Ort. Nach dem Überqueren eines Flusses erreichen wir endlich die Kirche, in der jetzt die Herberge ist.
Ich bin stehend k.o.! Zum Glück reicht mir die Herbergsmutter gleich beim Eintreten ein Glas Wasser und gibt mir etwas Salz auf die Hand. Hilfsbereit trägt sie meinen Rucksack in unsere Schlafkammer. Rechts und links steht je ein Bett, dazwischen ein Nachtschrank, ein Stuhl, sogar Schrankfächer gibt es. Und eine eigene Tür! In diesem Stil reiht sich im Halbrund der Kirchenmauer Kammer an Kammer.
Ein Zweibettzimmer wie in einem Hotel, seufze ich, zugleich erschöpft und erleichtert, und strecke mich sogleich auf meinem Bett aus.
Das Fieberthermometer zeigt über 39. Bei solcher Hitze habe ich zu Hause auch oft Fieber, das geht ganz schnell wieder runter, versuche ich Britta meinen Zustand zu erklären und nehme zwei Benuron. Später dusche ich, wasche meine Wäsche und lege mich wieder hin.
Britta meint, wenn ich ihr von meinem Waschpulver gäbe, wolle sie später auch für uns beide einkaufen. Ach ja, ich würde so gern eine Suppe essen, sage ich im Halbschlaf, aber ich bin gegen andere Waschmittel allergisch und habe selbst nur noch wenig.
Nachdenklich geht sie zu den großen Waschbecken an der Kirchenwand. Wahrscheinlich nimmt sie jetzt Shampoo, das schadet ja auch nichts, das mache ich auch oft.
Gern würde ich die Besonderheiten eines jeden Ortes viel mehr verinnerlichen. An vielem, was des Sehens würdig wäre, bin ich sicherlich schon viel zu oft achtlos vorübergegangen. Auch die Schönheit von Cacabelos erkenne ich erst, als wir zum Essenkaufen wieder in den Ort gehen. Erst jetzt sehe ich die an Stegen festgemachten kleinen Boote auf dem Fluss und die steinerne Brücke, dann den Fußweg am Wasser entlang im Schatten von Bäumen. Später gelangen wir in enge Gassen, gesäumt von niedrigen Häusern aus grauem Naturstein.
Jetzt geraten wir auch hier in den Feiertagstrubel. Es ist noch dazu ein Samstagabend, und die spanischen Familien feiern ausgelassen ihr Fest. Aber für uns sind das keine günstigen Bedingungen, um ein geöffnetes Geschäft zu finden. Verzweifelt suche ich ein Lokal, in dem ich eine Suppe essen könnte. Doch obwohl es schon nach 19 Uhr ist, sind alle Lokale geschlossen. Immerhin finden wir einen Bäcker und kommen in den Genuss von frisch gebackenem Weißbrot. Mit sehr viel Geduld finden wir dann doch auch noch einen Lebensmittelladen, der geöffnet hat.
Das Fieber ist natürlich nach dieser Anstrengung wieder gestiegen. Benuron und eine halbe Schlaftablette bringen mir für diese Nacht die erforderliche Ruhe.
Von Cacabelos nach O Cebreiro
Nicht die Natur allein,
auch des Menschen Dasein
hat seine Gezeiten.
DschuangDsi
V ergessen ist am Morgen die Last des vorherigen Tages, also ganz schnell waschen und Zähne putzen, den Rucksack packen - und schon sind wir wieder auf dem Weg. Die Isomatte lasse ich zurück. Es ist jetzt warm genug, ich muss sie nicht mehr unbedingt unter meinem Schlafsack haben, und jedes Gramm weniger an Gepäck bringt Erleichterung.
Auf bequemen Feldwegen und über sanfte Hügel kommen wir durch ein Straßendorf. Am Ende dieses Ortes, etwas abseits vom Camino, entdecke ich ein sorgfältig umzäuntes Grundstück. Es gehört wohl einem Bildhauer: Diese modernen Skulpturen stehen in starkem Kontrast zu den allgemein üblichen Darstellungen auf dem Camino. Das überrascht mich, deshalb möchte ich ein paar Bilder machen. Mein Objekt ist ein gut zwei Meter hoher Männerkopf; zu seinem Haupthaar formen sich schlanke, nackte Frauenkörper. Sogar im Ohr schlängelt sich die Gestalt einer Frau. Die fantasievollen Schöpfungen erinnern mich an die surrealen Gemälde und Skulpturen von Dalí. Jetzt weiß ich auch, weshalb auf dem Marktplatz dieses eher kleinen Ortes eine so ungewöhnlich große (und im Unterschied zu den anderen sehr dralle) Frauenskulptur steht.
In der Kühle des Morgens kommen wir sehr gut voran. Schnell sind wir in Villafranca del Bierzo. Danach aber kommt wieder ein steiler Pass, der auf 1300 Meter Höhe führt. Ursprünglich wollte ich hier übernachten und mit dem Bus weiterfahren. Die Herberge scheint auch ganz gut zu sein. Allerdings
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