Mein Leben
machen, also trafen wir uns einfach und spielten, tranken eine Tasse Tee, hörten Platten, die einer von uns entdeckt hatte, und versuchten, ein paar der Stücke nachzuspielen. Unser Repertoire war eine Mischung aus Blues-Nummern von John Lee Hooker, Muddy Waters, Freddy King und anderen, Standards wie »Hoochie Coochie Man«, »Boom-Boom«, »Slow Down« und »I Love the Woman«, bei denen ich Gelegenheit hatte, mit den Soli zu glänzen, die ich geübt hatte. Alles in allem spielten wir höchstens zwölf Gigs für ein paar Pfund und freie Getränke, und weil ich zu der Zeit noch für meinen Großvater arbeitete, stand ich häufig mit Putz bekleckert auf der Bühne.
Die meisten Auftritte fanden im Ricky-Tick-Club-Circuit statt, einer Reihe von Clubs in der Umgebung von London, die den beiden Promotern Philip Hayward und John Mansfield gehörten, die im Musik-Business aktiv waren und damals praktisch ein Monopol in der Clubszene hatten. Ein paarmal spielten wir auch im Marquee, als Vorgruppe von Manfred Mann, der Band, bei der Paul Jones inzwischen Sänger war. Aber obwohl ich eine Menge Spaß hatte, als Gitarrist erste Akzente setzen konnte und das Pseudo-Künstlerleben genoss, steckte doch von Anfang an der Wurm in dieser Band, weil sie weder die Kontakte noch die Entschlossenheit noch das nötige Kleingeld hatte, um voranzukommen. Deshalb überlebte sie auch nur ein halbes Jahr, unser letzter Gig fand im Marquee statt.
Obwohl das Marquee sich ursprünglich einen Namen als Jazzclub gemacht hatte, in dem bekannte Größen wie Tubby Hayes aufgetreten waren, verlagerte sich der Schwerpunkt immer mehr auf die R&B-Szene. Jeden Donnerstag war Blues-Night, und ich fuhr mit dem Zug bis Waterloo und nahm dann die U-Bahn bis zur Oxford Street. Da ich selten eine Übernachtungsmöglichkeit hatte, endeten diese Abende meistens damit, dass ich bis zum Morgengrauen durch die Straßen lief, bis ich den ersten Zug nach Hause nehmen konnte. Im Marquee begegnete ich auch zum ersten Mal John Mayall und dem Saxophonisten und Keyboarder Graham Bond, der in einem Trio mit dem Bassisten Jack Bruce und dem Schlagzeuger Ginger Baker spielte. Im Marquee war die komplette R&B-Szene versammelt.
Nach dem Niedergang der Roosters wurde Tom McGuinness von Brian Casser aus Liverpool angesprochen, ob er in seine neue Band einsteigen wollte. Brian war einer der vielen Musiker, die schon vor den Beatles in den Clubs an der Mersey gespielt hatten. 1959 wurde er Frontmann einer Band namens Cass and the Casanovas, bevor er die Leitung des Londoner Nachtclubs Blue Gardenia in Soho übernahm. Nach dem gewaltigen Erfolg des Liverpool-Sounds und dem rasanten Aufstieg von Bands wie Gerry and the Pacemakers und Sängern wie Billy J. Kramer hatte er das Gefühl, etwas zu verpassen, und betrieb deshalb die Gründung einer neuen Band, die Casey Jones and the Engineers heißen sollte. Er rekrutierte Tom, und da ich ebenfalls ohne Engagement dastand, rekrutierte Tom mich.
Das Beste an der Arbeit mit Casey Jones war die Erfahrung, die ich sammelte; ich war zum ersten Mal ernsthaft auf Tour. Wir spielten in diversen Clubs im Norden, vor allem in Manchester, darunter einen Gig unter freiem Himmel im Belle Vue Amusement Park. Cass zwang uns, identische schwarze Outfits mit Armee-Mützen aus Pappe zu tragen, was Tom und ich hassten. Auftritte waren damals völlig anders als heute, weil die Anlagen so winzig waren. Wir spielten über kleine Verstärker von Vox oder Gibson, jeder besaß einen davon. Die Normalausstattung der meisten Bands bestand also aus drei Verstärkern plus Drumset. Nur die Topbands hatten ihre eigene PA, und selbst die hatte maximal hundert Watt, was verglichen mit heutigen Standards nichts ist. Das Repertoire der Engineers umfasste ein paar Rock ’n’ Roll-Nummern – Chuck Berry, Little Richard und dergleichen –, doch die meisten Stücke waren stark poporientiert, und ich hielt es nicht lange aus, Top-20-Hits zu covern. Dafür war ich zu sehr Purist, sodass Tom und ich nach sechs Wochen wieder ausstiegen.
Casey Jones and the Engineers spielten nur etwa sieben Gigs. Dazwischen arbeitete ich nach wie vor auf Baustellen für meinen Großvater und trieb mich in der damals aufblühenden lokalen Musikszene herum. Alexis Korner hatte in einem beengten Keller gegenüber dem Bahnhof von Ealing Broadway seinen eigenen Club aufgemacht, den Ealing Club, während Giorgio Gomelsky, ein weiterer Blues-Fan, im alten Bahnhofshotel von Richmond den
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