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Mein Leben

Mein Leben

Titel: Mein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Clapton
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erfuhr, eigentlich nur eine Kopie der besten Gitarre jener Zeit, der Gibson ES-335. Sie hatte auf beiden Seiten des Halses einen Cutaway, damit die hohen Bünde leichter zugänglich waren. Man konnte sie akustisch oder über einen Verstärker spielen. Die Gibson hätte damals schätzungsweise hundert Pfund gekostet, weit jenseits unserer Möglichkeiten, während die Kay für zehn Pfund zu haben war und immer noch ziemlich exotisch wirkte. Sie wuchs mir ans Herz. Das Einzige, was nicht stimmte, war die Farbe. Angepriesen als Sunburst, was einen Farbverlauf von goldorange bis dunkelrot bedeutet hätte, war sie eher gelb bis pink, und sobald wir zu Hause waren, beklebte ich sie mit schwarzer Folie.
    Obwohl ich diese Gitarre liebte, stellte ich bald fest, dass sie nicht besonders gut war. Sie war genauso schwer zu spielen wie die Hoyer, weil die Saitenlage ähnlich hoch war und es keinen Halsstab zur Stabilisierung gab. Nach etwa einem Monat begann der Hals sich zu verziehen, worauf ich mich einstellen musste, weil ich kein Ersatzinstrument hatte. Aber etwas noch Grundsätzlicheres war geschehen, als ich diese Gitarre bekam. Sobald ich sie hatte, wollte ich sie plötzlich nicht mehr, ein Phänomen, das in meinem Leben immer wieder auftauchen und mir viele Probleme bereiten sollte.
    Einen Verstärker hatten wir nicht gekauft, also konnte ich nur akustisch spielen und mir vorstellen, wie es klingen würde, aber das war egal. Ich brachte mir ständig neue Sachen bei. Meistens versuchte ich, Chuck Berry oder Jimmy Reed zu kopieren, elektrischen Kram, doch dann arbeitete ich mich gewissermaßen von dort rückwärts zum Country-Blues vor. Angeregt hatte das Clive, der mir aus heiterem Himmel ein Album zu hören gab, das King of the Delta Blues Singers hieß, eine Zusammenstellung von siebzehn Songs eines Blues-Musikers namens Robert Johnson aus den 1930ern. Den Liner Notes entnahm ich, dass Johnson beim Vorspielen für die Sessions in einem Hotelzimmer in San Antonio mit dem Rücken zu seinen Zuhörern in einer Ecke gestanden hätte, weil er so schüchtern war. Da ich als Kind selbst von Schüchternheit wie paralysiert war, identifizierte ich mich sofort mit ihm.
    Zunächst stieß mich die Aufnahme wegen ihrer Intensität beinahe ab. Dieser Mann versuchte nicht, seine Musik und seine Message mit Zuckerguss zu glätten. Dieses Zeug war Hardcore, härter als alles, was mir je zu Ohren gekommen war. Nachdem ich die Platte ein paarmal gehört hatte, wurde mir klar, dass ich auf einer gewissen Ebene meinen Meister gefunden hatte und dass es mein Lebenswerk sein würde, dem Vorbild dieses Mannes zu folgen. Die Schönheit und Eloquenz von Songs wie »Kindhearted Woman« schlug mich völlig in ihren Bann, während der rohe Schmerz auf »Hellbound on My Trail« klang wie ein Echo von etwas, das ich selbst immer empfunden hatte.
    Ich versuchte, Johnson zu kopieren, aber seine Technik, gleichzeitig auf den unteren Saiten einen abgehackten Basslauf, auf den mittleren Saiten Rhythmus und auf den oberen Saiten Lead zu spielen und dazu noch zu singen, lag jenseits meiner Vorstellungskraft. Ich legte das Album eine Zeit lang beiseite und fing wieder an, andere Gitarristen zu hören und einen eigenen Stil zu entwickeln. Ich wusste, dass ich nie das Level der Original-Blues-Musiker erreichen würde, dachte jedoch, dass sich schon irgendetwas entwickeln würde, wenn ich weiter übte. Es war nur eine Frage der Zeit und des Glaubens. Ich begann, die Stücke, die ich von Platte nachspielte, mit eigenen Riffs anzureichern. Ich guckte mir bei den elektrischen Blues-Gitarristen, die ich mochte, Leuten wie John Lee Hooker, Muddy Waters und Chuck Berry, und bei akustischen Gitarristen wie Big Bill Broonzy Sachen ab und verschmolz sie miteinander, um ein Repertoire von musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten zu entwickeln, das all diese verschiedenen Künstler umfasste. Es war ein extrem ehrgeiziges Unterfangen, aber ich hatte es nicht eilig und war überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein.
    Im Januar 1963 verabredete ich mich mit einem Typen namens Tom McGuinness im Prince of Wales in New Madden. Er spielte in einer Blues-Band, die sich The Roosters nannte, ursprünglich gegründet von Paul Jones, mit Brian Jones an der Gitarre. Als Paul und Brian ausstiegen, hatte Toms Freundin Jenny, eine ehemalige Kommilitonin von der Kingston School of Art, mich als Gitarristen vorgeschlagen. Das Line-up bestand damals aus Tom McGuinness an der Gitarre, Ben Palmer an

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