Mein Leben
hieß Hurtwood Edge und war angeblich von dem bedeutenden viktorianischen Architekten Sir Edwin Lutyens entworfen worden, dem Planer der königlichen Hauptstadt Neu Delhi. Das erwies sich jedoch als Fehlinformation, der Architekt hieß in Wahrheit Robert Bolton. Vor der Haustür gab es eine kleine Veranda als Windfang, von der man direkt ins Wohnzimmer gucken konnte. Das Wohnzimmer hatte auf drei Seiten Fenster, eins zur Terrasse, die beiden anderen mit Blick auf die Hügel. Im Garten entdeckte ich zu meinem Erstaunen sechs ausgewachsene Mammutbäume, die lange vor der Planung und Errichtung des Hauses gepflanzt worden sein mussten. Der Makler erklärte mir, der Garten sei von der berühmten Gartenarchitektin Gertrude Jekyll angelegt worden, eine weitere Fehlinformation. Ich wollte Hurtwood auf der Stelle kaufen und sofort einziehen. Als ich ein anderes Mal zurückkehrte, um den ersten positiven Eindruck zu überprüfen, überraschte ich den Makler und seine Freundin, die sich nackt auf der Terrasse sonnten. Wie sich herausstellte, wohnten sie in dem Haus, das seit zwei Jahren leer stand, und an dem niemand außer mir Interesse gezeigt hatte. Ich glaube, sie waren ein bisschen schockiert, als ihnen klar wurde, dass sie ausziehen mussten.
Das Haus sollte dreißigtausend Pfund kosten, damals die mit Abstand größte Summe, die ich je gehört hatte. Ich kannte mich mit finanziellen Dingen nicht aus, von dem Kauf eines Hauses ganz zu schweigen, deshalb bat ich Stigwood um Hilfe. Er fand offenbar nicht, dass dreißig Riesen übermäßig viel Geld war, und riet mir zuzugreifen. Ehe ich mich versah, war der Kauf besiegelt, und das Haus gehörte mir. Es war ein unglaubliches Gefühl. Ich hatte noch nie ein eigenes Zuhause besessen. Mein ganzes Leben lang hatte ich gelebt wie ein Landstreicher. Sobald ich alt genug war, mein Heimatdorf zu verlassen, hatte ich in Bahnhöfen und Parks oder auf der Couch von Freunden übernachtet, bevor ich am nächsten Morgen nach Ripley zurückkehrte. Das Höchste war bis jetzt der Mietvertrag in der Pheasantry gewesen, aber nun war ich Besitzer von Hurtwood und genoss das befriedigende Gefühl, eine Bleibe zu haben, in der ich tun und lassen konnte, was ich wollte.
Am besten gefielen mir an Hurtwood die Einsamkeit und die Ruhe. Außerdem liebte ich die Straße zu meinem Haus, die von Shere nach Ewhurst führte und an einer »The Cut« genannten Stelle einspurig wurde und aussah wie ein Flussbett, das sich eine Schneise zwischen zwei hohen Felswänden gegraben hatte. Sie sah aus, als sei sie Tausende von Jahren alt, und ich hörte allerlei Mythen darüber, dass sie früher eine Schmugglerroute gewesen sei. Wenn im Winter die überhängenden Bäume mit Schnee bedeckt waren, war es, als würde man durch einen weißen Tunnel fahren, und ich hatte das Gefühl, ein Hobbit-Land zu betreten. Schon bald war ich mir sicher, dass dies der Ort war, an dem ich den Rest meines Lebens verbringen wollte.
Wenig später zog ich um. Ich stellte meine Gitarren und ein paar Sessel ins Wohnzimmer, dazu ein Bett in den ersten Stock. Außerdem besaß ich ein Douglas-Motorrad von 1912, das ich in einer Werkstatt in Ripley gekauft hatte. Es hat nie funktioniert. Ich schob es einfach hin und her, bis es schließlich als Skulptur in der Mitte des Wohnzimmers landete. Und ich leistete mir selbst noch ein weiteres teures Geschenk: ein Paar ein Meter achtzig hohe Kinoboxen von Altec Lansing, die The Voice of the Theatre hießen. Sie waren aus Holz mit aufgesetzten Metallhorn-Hochtönern und verliehen meiner Stereoanlage einen fantastischen Sound.
Nachdem ich in Hurtwood mehrere Monate sehr spartanisch gelebt hatte, beschloss ich, dass es Zeit für eine Veränderung war. In London war zu dieser Zeit eine neue Gruppe in der Szene aufgetaucht, adelige »Hippies« aus der Oberschicht, Aussteiger, die eine Art Zigeunerleben führten. Anführer dieser Clique waren Sir Mark Palmer, Geschäftsführer der Model-Agentur English Boys, Christopher Gibbs, ein Antiquitäten-Händler, der das Set-Design für Performance gemacht hatte, sowie Jane, Julian und Victoria Ormsby-Gore, die drei ältesten Kinder von David Harlech, dem britischen Botschafter in Washington während der Kennedy-Ära. Sie waren Mode-Trendsetter und immer von einem Schwarm von Künstlern und anderen interessanten Menschen umgeben. Man traf sie in vielen der Läden, die ich auch frequentierte, wie Granny’s, dem Chelsea Antique Market oder dem Picasso. Außerdem
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