Mein Leben
nicht als unsere Vorgruppe gespielt hätten, hätte Blind Faith vielleicht überlebt. Wir hätten uns nach der Tour neu formiert, versucht zu analysieren, was falsch gelaufen war, und wären vorangeschritten. Vielleicht. Aber die Versuchung, die mit Delaney meinen Weg kreuzte, war einfach unwiderstehlich. Er konfrontierte mich mit demselben Thema, das auch Steve immer wieder angesprochen hatte, nämlich dass ich mich weiterentwickeln müsse, und das nicht nur als Gitarrist. Als ich Steve bat, meinen Song »In the Presence of the Lord« zu singen, hatte er gesagt: »Du hast ihn geschrieben, also solltest du ihn auch singen.« Ich hatte trotzdem darauf bestanden, dass er den Gesang übernahm, ihn während der Aufnahmen jedoch immer wieder unterbrochen und vorgeschlagen, dass er diese oder jene Zeile so oder so singen solle, bis er schließlich sagte: »Bitte sag mir nicht, wie ich es singen soll. Wenn du es so gesungen haben willst, dann sing es selbst!« Zu meinem Erstaunen war er ziemlich aggressiv, weshalb ich beschloss, ihn einfach machen zu lassen. Rückblickend weiß ich, dass er recht hatte. Ich hatte diesen Song nach meinem Einzug in Hurtwood Edge geschrieben, und er hatte eine sehr persönliche Aussage, nicht unbedingt eine religiöse, sondern viel eher eine faktische: »I have finally found a place to live, just like I never could before.« Ich hätte es wenigstens versuchen müssen, aber ich glaube nicht, dass mir meine Version je so gut gefallen hätte wie seine.
Delaney war der gleichen Meinung wie Steve, wählte jedoch einen anderen Weg. Er stammte aus Mississippi und war eine sehr charismatische Gestalt mit langen Haaren und Bart. Er gefiel sich in der Rolle eines Baptistenpredigers aus den Südstaaten, der Feuer und Schwefel predigte. Das hätte einen abstoßen können, aber wenn er sang, machte er alles richtig und war absolut inspirierend. Ich glaubte total an ihn. Nach einem Konzert von Sha Na Na kehrten wir gemeinsam in mein Hotel zurück, schluckten Acid und fingen an Gitarre zu spielen. Irgendwann sah Delaney mir tief in die Augen und sagte: »Du weißt, dass du wirklich anfangen musst zu singen, außerdem solltest du Leader deiner eigenen Band sein. Gott hat dir dieses Talent gegeben, und wenn du es nicht benutzt, nimmt er es dir wieder.« Die Gewissheit, mit der er das sagte, verblüffte mich, und ich nahm mir seine Worte sehr zu Herzen. Das Acid hat möglicherweise auch seinen Teil beigetragen. Jedenfalls sagte ich mir: »Vielleicht hat er recht. Ich sollte lieber anfangen, etwas dafür zu tun.« Abgesehen von meinen frühen Fantasien darüber, was aus Cream hätte werden können, dachte ich zum ersten Mal ernsthaft über eine Solokarriere nach.
Nach dem letzten Blind-Faith-Konzert am 24. August in Honolulu kehrte ich nach Hurtwood zurück. Ich hatte mich kaum wieder eingelebt, als am Samstag, dem 13. September, morgens das Telefon klingelte und John Lennon fragte: »Was machst du heute Abend?«
»Nichts«, antwortete ich.
»Willst du einen Gig mit der Plastic Ono Band in Toronto spielen?«, fragte er.
»Ja klar«, antwortete ich, denn es gehörte damals dazu, spontan in ein Flugzeug zu steigen, ohne lange darüber nachzudenken. »Super!«, sagte John. »Komm so schnell wie möglich in die First-Class-Lounge der BOAC am Londoner Flughafen. Dort erkläre ich dir dann alles.«
Ich fuhr zum Flughafen, wo John und Yoko mit Klaus Voormann, dem Bassisten der Band, und dem Drummer Alan White zusammensaßen. John war damals in jener Phase, in der er die Haare lang, einen Vollbart und immer einen weißen Anzug trug. Er erklärte mir, dass wir auf dem Toronto Rock and Roll Festival spielen würden und im Flugzeug proben könnten. Wir trugen unsere halbakustischen Gitarren an Bord und machten es uns in der ersten Klasse zwischen den anderen Passagieren bequem, darunter auch der Besitzer der Schick Razor Company. Er saß in derselben Reihe wie wir und versuchte uns mit der Bemerkung zu amüsieren, dass wir mit unseren Voll- und Schnurrbärten alle gute Verwendung für seine Produkte hätten.
Viel weiter kam er nicht, denn sobald wir in der Luft waren, konzentrierten wir uns darauf, die Nummern für das Konzert durchzugehen, Songs wie »Be Bop A Lula«, »Yer Blues«, »Dizzy Miss Lizzie« und »Blue Suede Shoes«. Wir spielten sie einfach auf unseren Plätzen sitzend durch. Niemand beschwerte sich, was rückblickend nicht so überraschend erscheint, wenn man bedenkt, dass John damals einer der
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