Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
ausstieg, schrieb er mir noch seine Handynummer auf und sagte, ich solle ihn zwei Tage später anrufen.
Yasin und Amin waren bereits im Haus, als ich am nächsten Morgen die Treppe herunterkam. Sie kamen jetzt öfter vorbei, fast jeden Tag.
Ich ging ins Wohnzimmer und wandte mich an Yasin.
„Ich habe jemanden gefunden. Ich kann die Geschosse für elf fünfzig besorgen.“
Yasins Augenbraue hob sich etwas, als er mich ansah. Er neigte sich zu Amin, und sie wechselten rasch ein paar geflüsterte Worte. Dann nickte Amin.
„In Ordnung“, sagte Yasin gedehnt, als er sich mir wieder zuwandte. „Wir versuchen es. Sag deinem Typen, wir wollen fünftausend. Aber sag ihm auch, dass wir eine Warenprobe sehen wollen, bevor es Geld gibt.“Amin und Yasin waren natürlich vorsichtig: Sie hatten keine Ahnung, mit wem ich da verhandelte, und ich hatte ihnen auch keine weiteren Informationen angeboten. Keiner von beiden hatte auch nur die geringste Veranlassung, mir zu vertrauen. Ich war noch nicht einmal einen Monat in Belgien, und sie wussten nicht das Geringste über mich.
Am nächsten Tag rief ich Laurent an und sagte ihm, wir seien zu einem Abschluss zu elf fünfundzwanzig bereit und müssten jetzt über die Liefermenge verhandeln. Ich sagte ihm auch, dass wir einige Proben bräuchten, bevor die Sache weiter gedeihen könne. Er nannte mir einen Ort in der Nähe der Grand’ Place und sagte, ich solle ihn dort noch am selben Abend um neun Uhr treffen.
Als er auftauchte, setzte ich mich auf den Beifahrersitz.
„Bei einem Preis von elf fünfundzwanzig nehmen wir fünftausend“, sagte ich.
„Ich kann sie in zwei Tagen beschaffen“, antwortete er. Dann gab er mir einen Umschlag. Ich öffnete ihn – fünf Geschosse waren drin. Ich hatte noch nie zuvor Militärmunition in der Hand gehabt. Diese hier sahen anders aus als alle Kugeln, die ich bei Édouard in die Finger bekommen hatte. Aber ich wusste genug, um zu sehen, dass diese Ware echt war.
Laurent fragte nach einem Treffpunkt, wo wir den Handel perfekt machen könnten. Ich schlug ihm einen Ort vor, der etwa einen Kilometer von unserem Haus entfernt lag, und wir fuhren hin, damit ich ihm die genaue Stelle zeigen konnte. Sie war etwa hundert Meter von einer Bushaltestelle entfernt und lag in einer dunklen Seitenstraße. Abends hatte ich dort noch nie jemanden gesehen. Laurent prüfte den Treffpunkt, stimmte zu und sagte, ich solle ihn in zwei Tagen anrufen. Sobald er die Ware habe, werde er mich um Mitternacht dort treffen. Dann stieg ich aus und ging zu Fuß nach Hause.
Dort wartete Yasin auf mich. Ich gab ihm den Umschlag, und er öffnete ihn. Er warf nur einen kurzen Blick auf den Inhalt, so schien es mir jedenfalls.
„Ja, das ist genau das, was wir wollen.“Er war sich seiner Sache ganz sicher.
Ich war beeindruckt. Fast jeder, der ein Geschoss in die Hand nimmt, wird sofort die Nummer auf der Ummantelung prüfen, um sich zu vergewissern, dass es die richtige Sorte ist. Yasin musste nicht nachsehen. Plötzlich dämmerte mir, dass Yasin ein Profi war. Als Haschisch-Dealer in Marokko hatte ich gelernt, die Profis von den kleinen Fischen zu unterscheiden. Es gibt mindestens hundert verschiedene Arten von Haschisch, aber die wahren Experten wussten stets ganz genau, womit sie es jeweils zu tun hatten, ohne dass sie die Ware auch nur anzufassen brauchten. Sie erkannten instinktiv den Verarbeitungsgrad, wussten, ob es sich um Spitzenqualität handelte oder nicht. Die Amateure nahmen es, noch bevor sie etwas sagten, immer in die Hand, rollten es zwischen den Fingern, brachen etwas ab, rochen daran.
In jenem Augenblick lernte ich etwas, etwas, das ich zuvor vielleicht gespürt, über das ich aber nicht weiter nachgedacht hatte. Ich begriff, dass Amin und Yasin es ernst meinten und dass das, was sie taten, ein ernstes Geschäft war. Diese beiden waren anders als die jungen Burschen, mit denen ich in Marokko zu tun gehabt hatte und die damals beweisen wollten, was für tolle Kerle sie waren, weil sie über Waffen und den Dschihad redeten und gelobten, sich dem Kampf in Bosnien anzuschließen. Amin und Yasin waren echt.
Es war eine blitzartige Erkenntnis, die sich nur kurz in den Vordergrund drängte und sofort wieder verschwand.
Ich rief Laurent zwei Tage später an. Wir verabredeten uns für den Abend. Yasin hatte einen Umschlag vorbereitet, der mit Franc-Scheinen gefüllt war. Ich schaute erst gar nicht hinein, in der Absicht, das Geld zu zählen. Ich
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