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Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest

Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest

Titel: Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Hoßfeld
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gucke nach, ob ich noch einen freien Streifen auf meiner Schwimmhallen-Zehnerkarte habe. Hab ich, super. Mein Tagesprogramm sieht wie folgt aus: Zuerst gehe ich eine entspannte Runde schwimmen (leider hat das Freibad noch nicht auf), anschließend stopfe ich mich im Schwimmbadcafé mit leckeren Puddingschnitten und Kakao voll (das habe ich mir nach dem Schwimmen verdient!), und wenn ich satt bin, sinke ich in Jogginghose und Wohlfühl-T-Shirt auf mein Bett und ziehe mir eine kitschige DVD nach der anderen rein (zuerst „Remember me“ mit Robert Pattinson, klar. Und danach „Briefe an Julia“ . Oder vielleicht doch lieber „Tatsächlich Liebe“ ? Den hab ich zwar schon zigmal gesehen, aber ein paarmal mehr kann sicher nicht schaden), während meine Haare unter einer Kurpackung entspannen, der Nagellack an meinen Zehennägeln trocknet und sich meine Pickel unter einer adstringierenden Gurkenmaske ins Nirwana verabschieden.
    Klingt perfekt, oder? Noch perfekter wäre es natürlich, das Ganze in netter Gesellschaft abzuspulen, aber frau kann nicht alles haben.
    „Selbst ist das Weib!“, würde Lena sagen, und: „Hau rein!“ Sie sollte sich als Kummerkastentante beim Blödblättchen bewerben. Ich glaube, sie hätte supergute Chancen gegen Frau Gisela.
    Ein paar Minuten später düse ich mit meinem Rad durch den Stadtpark. Die Luft ist warm, meine Haare flattern im Wind. Ich blinzele mit halb geschlossenen Augen in die Sonne. Es ist ein schönes Gefühl, bei dem ich automatisch lächeln muss und meine Laune um glatte hundert Punkte steigt. Bestimmt sind bei dem schönen Wetter nicht viele Leute in der Schwimmhalle, denke ich optimistisch, weil die meisten heute im Park oder unterwegs sind. Wenn ich Glück habe, muss ich mir das Becken nur mit ein paar unverwüstlichen Rentnern und zwei, drei alten Omas in geblümten Badeanzügen teilen statt wie sonst mit Horden von kreischenden Kleinkindern und halbwüchsigen Jungs, die ein merkwürdiges Arschbomben-vom-Dreier-bis-die-Badehose-platzt-Ritual pflegen.
    Tatsächlich ist der Parkplatz vor der Schwimmhalle ziemlich ausgestorben. Ich jubiliere innerlich, während ich mein Rad in den Ständer stelle, es abschließe und mich anschließend durch die quietschende Drehtür schiebe.
    Im Vorraum umhüllt mich sofort der typische Schwimmbadmief aus Chlor, Duschgel und total überhitzter Luft. Ich schnappe nach selbiger und halte dem Typen hinter der Scheibe des Kassenhäuschens meine Zehnerkarte hin. Er schaut kaum auf, als er den Stempel in das letzte freie Feld klatscht.
    Kurz darauf dümpele ich im lauwarmen Nass.
    Es ist wirklich ziemlich leer in der großen Halle, und ich habe eine Bahn fast für mich alleine, was ich sofort ausnutze, um mich mit ein paar Kraulschlägen aufzulockern. Während ich durchs Wasser pflüge, denke ich an gar nichts. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, aber in meinem Kopf ist gar kein Platz für irgendwelche Gedanken, weder positive noch negative. Das ist es, was ich am Schwimmen so liebe. Die Bewegungsabläufe spulen vollkommen automatisch ab. Es ist fast wie Fliegen, finde ich. Eine Art schwereloses Gleiten, während alles andere ganz weit weg ist.
    Erst nach ein paar ruhigen Bahnen lege ich an Tempo zu und konzentriere mich wieder auf meinen Atem und auf die Muskeln, die mich vorantreiben.
    Armschlag, Beinschlag, Armschlag, Beinschlag, Luftholen. Mein Körper schiebt sich durch das Wasser wie an einer Schnur gezogen. Es fühlt sich perfekt an, und ich komme mir fast wie ein Delfin vor, der sein Leben lang nichts anderes macht als schwimmen, schwimmen, schwimmen.
    Phillip würde jetzt wahrscheinlich irgendwas von Glückshormonen brabbeln, von chemischen Botenstoffen, hormonellen Bausteinen und Endorphinen, die bei körperlicher Beanspruchung vom Gehirn freigesetzt werden und Glücksgefühle auslösen, aber ich pfeife auf Biochemie. Ich schwimme, bis ich außer Atem bin. Erst dann höre ich auf.
    Japsend halte ich mich am Beckenrand fest, schiebe mir die Schwimmbrille auf die Stirn und warte darauf, dass Puls und Atmung sich wieder normalisieren.
    „Hi, Conni“, sagt plötzlich eine Stimme neben mir. „Ich wusste doch, dass du’s bist!“
    „Anna?“ Ich tauche kurz unter und streife beim Auftauchen meine Haare nach hinten. „Was machst du denn hier?“
    Anna sieht ohne ihre Brille ganz anders aus. Ihre Augen wirken kleiner, schmaler.
    „Schwimmen?“, schlägt sie als mögliche Antwort auf meine zugegebenermaßen ziemlich

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