Mein Leben, die Liebe, und der ganze Rest
Lena mich an.
Wir stehen vorne an der Tafel. Alle grinsen uns an. Herr Horst sitzt auf einer Ecke des Lehrerpults.
„Drei minus“, sagt Herr Horst unnachgiebig. „Damit können alle Beteiligten mehr als zufrieden sein.“
Oh ja! Ich gebe ihm voll und ganz Recht. Schnell ziehe ich Lena am Ärmel hinter mir her zu unseren Plätzen.
„Ich finde, das war mindestens eine Zwei!“, faucht sie.
„Ist doch egal!“, zische ich zurück, froh, das Referat hinter mir zu haben.
„Ist es nicht!“
„Doch, ist es!“
Als Horstis langer Schatten auf uns fällt, knipsen wir ein Lächeln in unseren Gesichtern an.
„Alles klar“, versichert Lena strahlend.
Horsti zieht eine Augenbraue hoch und wandert weiter.
Ich atme erleichtert auf. Noch ein paar Minuten, dann ist Feierabend!
Als wir fünf Minuten später draußen sind, strahlt die Sonne. Ich bleibe stehen, lege meinen Kopf in den Nacken, blinzele in den wolkenlosen Himmel und grinse wie blöd.
Lena zieht ihre Fünfziger-Jahre-Sonnenbrille vom Flohmarkt aus der Tasche und stellt sich neben mich. Ein Fünftklässler rempelt uns an. Wir stehen mitten im Weg. Uns egal. Wie jeden Freitag nach der letzten Stunde zelebrieren wir unsere ganz persönliche Andachtsminute, um das Wochenende gebührend zu begrüßen.
„Ich glaube, heute wäre ein guter Tag für Sex.“ Lena schnurrt behaglich.
„Wie bitte?“, pruste ich.
Sie mustert mich wortlos über den Rand ihrer Sonnenbrille und grinst. Kichernd beenden wir unsere Wochenendandacht und gehen zu den Fahrradständern, wo die anderen schon auf uns warten. Nur Anna fehlt. Paul erzählt mir, dass Frau Brunsberg sie mit dem Auto abgeholt hat.
„Hat sie noch irgendwas gesagt?“, frage ich ihn.
„Nö.“ Er schüttelt den Kopf und verabschiedet sich. „Ich muss los. Hab noch einen Termin. Bis später!“
„Ciao.“ Paulchen und ein Termin? Ausgerechnet heute? Merkwürdig …
Er gibt Phillip seine Klamotten, den Schlafsack und die Zeltrolle. Anscheinend ist Phil informiert. Er verstaut alles auf seinem Roller und befestigt es mit einem Spanngurt. Paul trabt davon.
Als ich mein Rad aufschließen will, fällt mein Blick zur Seite. Lukas geht vorbei. Ausgerechnet. Ich will schnell weggucken, aber er hat mich leider ebenfalls bemerkt und bleibt stehen. Ganz langsam nickt er mir zu und grinst. Dann geht er weiter. Obwohl die Sonne scheint, bekomme ich Gänsehaut.
„Kann’s losgehen?“ Phillip lässt seinen Roller an und klappt das Visier des Helms runter.
„Ich bin in zehn Minuten bei dir!“, rufe ich zurück.
Er hebt einen behandschuhten Daumen, setzt den Blinker und braust los.
Ein bisschen neidisch schaue ich ihm nach. Vielleicht sollte ich mir von meinem restlichen Geburtstagsgeld einen Mopedhelm kaufen? Dann könnte ich jetzt hinter ihm sitzen und meine Arme um ihn schlingen. Ich würde mich so eng an seinen Rücken schmiegen, dass kein Blatt Papier mehr zwischen uns passt. Und dann würde ich die Augen schließen, während wir durch den Sonnenschein bis ans Ende der Welt rollen. Oder vielleicht auch nur bis ans Meer. Hach ja, seufz … Schon die bloße Vorstellung macht mich ganz kribbelig.
„Krischan und ich tauchen dann auf, sobald es geht“, holt Lena mich von meiner privaten Traumwolke herunter.
Ich nicke ihr verwirrt zu. Wenn ich noch länger rumtrödele und träume, stehe ich heute Abend noch hier! „Ja, ist gut. Wir sehen uns!“
Billi und ich fahren los, begleitet von ein paar anderen, die uns beim Aufbauen helfen wollen. Unterwegs gabeln wir noch Dina auf. Wir fahren Slalom und lachen. Die Sonne scheint, es ist schnuckelig warm. Das perfekte Partywetter! Der vermurkste Vormittag ist komplett vergessen. Ich spüre ein aufgeregtes Prickeln auf der Haut. Jetzt geht’s tatsächlich los.
„Hast du Badesachen mit?“, fragt Billi mich.
„Willst du ins Schwimmbad?“
Billi kichert.
„Nee, Blödsinn. Aber du hast erzählt, dass Grafs einen beheizten Pool haben.“
„Du denkst an eine Poolparty?“, grinse ich.
Billi nickt vielsagend.
Shit. Daran hab ich nicht gedacht. Dabei hat Billi Recht: Es ist fast sommerlich warm. Optimale Bedingungen für eine Poolparty. Ich werfe meine Haare in den Nacken und rufe: „Wer braucht schon einen Badeanzug?“
Die Vorstellung, splitternackt in Phillips Pool zu hüpfen, hat was. Ob ich mich wirklich trauen würde, weiß ich natürlich nicht. Nee, garantiert nicht. Schon gar nicht vor allen anderen. Höchstens vielleicht, wenn’s dunkel ist. Oder
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