Mein Leben für dich
Gefühl, mich nur noch mehr in den Schlamassel zu reiten, also halte ich jetzt besser einfach den Mund. Simon Winter soll auf gar keinen Fall denken, ich würde mich auch nur ansatzweise für sein Privatleben und seine Frauengeschichten interessieren.
Zum Glück schweigt er jetzt wieder, aber aus den Augenwinkeln sehe ich, wie er mit den Schultern zuckt und leicht den Kopf schüttelt, als würde er mich für plemplem halten.
Meine Lockerheit und meine gute Laune haben sich mit einem Schlag in Luft aufgelöst. Dabei hatte ich mich noch vor fünf Minuten gefragt, ob es wohl blöd rüberkommt, wenn ich ihn frage, ob wir noch zusammen ein Eis essen gehen, oder sogar … Erdbeerkuchen. Das hat sich jetzt erledigt. Ich will gerade vorschlagen, zum Parkhaus zurückzugehen, da erblicke ich vor dem Thalia-Theater einen ziemlich großen Menschenauflauf. Kinder halten Luftballons in der Hand, einige von ihnen sind bunt geschminkt und an einer Holzbude gibt es Getränke und Snacks.
»He, ist das da drüben nicht dein Nicht-Schwarm Kai Thalbach?«, fragt mein Begleiter plötzlich, ohne sich zu bemühen, seinen abfälligen Unterton zu verbergen.
»Wo?«
»Der da vor der kleinen Bühne, in den lächerlichen grünen Strumpfhosen.«
Tatsächlich, jetzt entdecke ich ihn auch und mein Herz macht einen dankbaren Satz, denn ich weiß, das hier kann bloß ein Wink des Schicksals sein. Dass ausgerechnet jetzt Kai Thalbach meinen Weg kreuzt, soll mir sicherlich vor Augen führen, dass der Mittelpunkt meines Lebens nicht Simon Winter heißt, auch wenn er derjenige ist, mit dem ich im Moment am meisten Zeit verbringe. Vielmehr soll ich mich auf andere, wesentlich wichtigere Ziele konzentrieren. Ziele, für die es sich zu kämpfen lohnt.
»Wollen wir vielleicht die Straßenseite wechseln?«, fragt Simon.
»Nein, ganz bestimmt nicht«, erwidere ich empört.
»Dachte ich mir fast«, knurrt er, »aber einen Versuch war es wert.«
Ich verdrehe die Augen und schiebe mich durch die Menschenmengen hindurch zu Kai, der lachend irgendwelche Flugblätter an die Leute verteilt. Leider sehe ich auch seine hübsche Kollegin Caro, die anscheinend nie von seiner Seite weicht. Ich muss zugeben, sie sieht wieder mal grandios aus in ihrem grünen langen Samtkleid mit den goldenen Stickereien. Die dunklen Haare sind zu einem Kranz geflochten, in dem Blumen stecken. Caro sieht mich auch und ihr Lächeln verschwindet für eine Sekunde, bevor sie die Schultern strafft und sich an ein kleines Mädchen wendet, um ihm einen Luftballon zu geben. Mich ignoriert sie, aber das soll mir nur recht sein. Ich habe schließlich nicht vor, ihre beste Freundin zu werden.
»Hallo, Kai!«
Er dreht sich um und macht, als er mich sieht, eine galante Verbeugung. »Was für eine herzerquickende Überraschung, schöne Maid!«, ruft er aus und küsst meine Hand. Die anderen Leute lachen und applaudieren, und ich merke, wie mir wieder die Röte in die Wangen steigt. »Oh, und wie ich sehe, ist auch Ihr werter Diener nicht fern«, fügt er mit einem weniger begeisterten Blick an mir vorbei hinzu.
»Ganz genau«, erwidert Simon Winter trocken. »Da ist er wieder.«
In diesem Moment fängt eine Gruppe von fünf mittelalterlich gekleideten Leuten an, auf Holzinstrumenten zu spielen und dazu zu tanzen.
»Wahnsinn, was ist das hier denn alles? Macht ihr Werbung für ein Stück oder so?«, frage ich Kai.
Er reicht mir ein Flugblatt. »Das ist eine Spendensammlung für Kinder aus armen Verhältnissen, die sich Theater nicht leisten können. Darf ich mich vorstellen: Ich bin Robin Hood, der mit Charme und List den Reichen etwas Geld aus der Tasche zieht, um es denjenigen zu geben, die es nötiger haben.«
»Wow, also … das ist ja … toll«, stammle ich. Auf dem Flugblatt ist ein Porträt von Kai in Robin-Hood-Verkleidung abgebildet, auf dem steht: WANTED! Theater verbindet, Theater für alle! Darunter sind alle möglichen Infos zu einer Stiftung angegeben, die sozial schwachen Menschen in Deutschland, vor allem Kindern, Theaterbesuche ermöglichen soll.
»Ich finde, geistige Förderung ist ebenso wichtig wie gute Ernährung«, sagt Kai, jetzt mit ernster Miene. »Und vor allem soll Bildung Spaß machen. Auf diese Weise kann ich mit meinem Beruf etwas Gutes bewirken.«
Ich nicke und bin immer noch baff, wie viele Facetten dieser Mann besitzt. Janines Weltanschauung würde gehörig ins Wanken geraten, wenn sie ihn träfe. Kai Thalbach ist definitiv ein Tyrannosaurus
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