Mein Leben für dich
spärlicher Bekleidung. »Die wollen einem immer irgendetwas unterjubeln, das kenne ich schon.« Ich lache, um meine Verlegenheit zu überspielen. Freundin … Wie konnte mir nur so etwas Bescheuertes rausrutschen, verdammt? Ich bin anscheinend übermüdeter, als ich dachte.
Mia räuspert sich. »Ja, äh, ich weiß, wir Frauen haben oft unseren eigenen Geschmack«, stammelt sie und ich bin ihr zutiefst dankbar, dass sie wenigstens versucht , die Peinlichkeit zu überspielen. »Trotzdem«, fügt sie etwas gefasster hinzu, »ich finde, du musst da durch. Sieh es einfach als einen Teil deines Jobs an.«
»Na gut.« Ich gebe mich geschlagen, weil ich weiß, dass sie sowieso gewinnen wird, und ich mit meinen Nerven und Kräften am Ende bin. »Ich mache mit, aber nur unter folgenden Bedingungen: Der ganze Einkauf beschränkt sich auf eine einzige Herrenabteilung, also überleg dir gut, wohin du mich schleppst. Zweitens: Ich lasse mich nicht zu Leinenhosen und Polohemden überreden. Das Zeug darf nicht schwul aussehen, sonst kannst du vergessen, dass ich es jemals anziehe. Und drittens: Es muss bezahlbar sein.« Im Geiste gehe ich meine Finanzen durch: Abzüglich meiner Mietschulden und denen von Ben bleiben mir von den tausend Euro, die Falkenstein mir glücklicherweise sofort am Montag gezahlt hat, gerade mal etwas mehr als zweihundert übrig. Und mein erstes richtiges Gehalt gibt es erst Anfang Juli, also in etwa zwei Wochen.
»Der dritte Punkt gilt nur so halb«, räumt Mia ein. »Ich habe meinem Vater von deinen schrecklichen Klamotten erzählt und ihm gesagt, dass ich mich weigere, so mit dir das Hotel zu verlassen. Da hat er mir gnädigerweise einen Zuschuss für dich gegeben.«
»Echt?«
»Ja, aber den werde ich verwalten.«
»Klar, ich könnte mir sonst ja vielleicht Gummibärchen davon kaufen.«
»Eben, und die gibt es erst, wenn man brav war. Also, wollen wir jetzt endlich los? Später wird es wieder so megaheiß und du machst mir schlapp.«
»Ja, ja, ich bin so weit, von mir aus können wir.« Um Mia zu zeigen, dass ich trotz meines peinlichen Aussetzers eben immer noch witzig und cool sein kann, trete ich nur mit Handtuch bekleidet auf den Flur und tue so, als wolle ich die Tür hinter mir zuziehen. Ausgerechnet in diesem Moment öffnet sich die Fahrstuhltür und zwei Frauen treten heraus. Eine davon ist Renate von der Rezeption, die andere kenne ich nicht. Beide bleiben wie angewurzelt stehen und unterbrechen ihr Gespräch. »Äh, schönen Tag, die Damen«, sage ich und winke ihnen mit einer Hand zu, während ich mit der anderen sicherheitshalber kontrolliere, ob mein Handtuch auch ja nicht rutscht. Renate und die andere Frau starren mich einen Moment lang mit offenen Mündern an, dann drehen sie sich um und eilen über den Seitentrakt davon.
»Verdammte Scheiße«, murmle ich und verschwinde schleunigst in meinem Zimmer. Heute geht anscheinend alles schief und ich sollte mich lieber still verhalten, um nicht in noch mehr Fettnäpfchen zu treten. Ich werfe mein Handtuch von mir, lasse das schöne, unbenutzte Schaumwasser aus der Wanne und schlüpfe in Shorts, Jeans und T-Shirt.
Draußen vor der Tür höre ich plötzlich ein leises Glucksen. Ich halte inne und lausche. Automatisch bewegen sich meine Mundwinkel auch nach oben, als ich mir vorstelle, wie Mia vor der Tür steht und über das, was eben passiert ist, so sehr kichern muss, dass sie dabei ihre kleine Nase krauszieht wie ein niedlicher Kobold. Bestimmt würde ihr dieser Vergleich ganz und gar nicht passen, dabei mag ich Kobolde – jedenfalls mehr als Schlümpfe –, und Mias Stupsnase und ihre Lockenmähne erinnern mich einfach an einen. Aber Frauen verstehen echte Komplimente eben nicht, sondern fahren nur auf abgedroschene Floskeln ab.
Das Verrückte ist, als ich mir jetzt eine Ladung Gel in die Haare klatsche, stelle ich fest, dass ich mich auf einen weiteren Nachmittag mit Mia freue, obwohl ich kaum etwas mehr hasse als überfüllte Kaufhäuser und es die Kleine schon mehrmals geschafft hat, mich allein durch ihre Gegenwart um jegliche Coolness zu bringen. Etwas, das mir fremd ist, den Boden unter mir schwanken lässt und mir das ungemütliche Gefühl gibt, mich selbst nicht mehr richtig unter Kontrolle zu haben.
Mia
»Halt, das hier auch noch bitte«, sage ich und werfe der Kassiererin in der Herrenabteilung von Peek & Cloppenburg ganz zum Schluss noch ein weiteres T-Shirt auf den Tresen, sodass Simon Winter nicht die Spur einer
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