Mein Leben für dich
keine Ahnung, wie ich es zurücklenken konnte. Dass ich vor lauter Panik schließlich sogar über die Reling gekotzt habe, bleibt mein Geheimnis. Anscheinend habe ich die Seeuntauglichkeit meiner Mutter geerbt.
»Neptun, dieser gemeine Mistkerl«, murmle ich leicht verbittert, als ich an Peters Worte zurückdenke, und streiche mir eine immer noch feuchte Locke hinters Ohr.
»Was faselst du da?« Simon Winter sieht mich an, als wäre ich nicht ganz dicht, und schenkt mir heißen Kaffee aus der Thermoskanne nach, den er auf sein Zimmer bestellt hat. Zum Glück war es nicht Tanja, die sie uns brachte, sondern eines der anderen Zimmermädchen. Ich vermeide es in letzter Zeit so gut es geht, ihr über den Weg zu laufen, und ich habe das Gefühl, sie tut dasselbe und guckt immer in eine andere Richtung, wenn sie mich sieht.
»Na, Neptun«, wiederhole ich. »Der römische Wassergott. Das Schlitzohr hat mir garantiert einen Streich gespielt.« Ich verrate meinem Bodyguard natürlich nicht, dass ich zuerst einen tückischen Hintergedanken hatte und Neptun mir wahrscheinlich mit dem plötzlichen Unwetter nur einen Denkzettel verpassen wollte. Aber obwohl mir der Schreck noch in den Knochen sitzt und Simon Winter mit seiner Rettung länger gebraucht hat als gedacht, ist letztendlich alles genau richtig gelaufen. Dass es durch Blitz, Regen und Donner noch eine dramatische Wendung gab, mit der selbst ich nicht gerechnet hatte, macht meinen ganzen Plan nur noch glaubhafter. Aber noch mehr als die Tatsache, dass Simon Winter jetzt keinen Grund hat, mir irgendetwas Absurdes zu unterstellen, freut es mich, dass er wirklich gekommen ist. Er hat sich sofort auf dem Weg gemacht, um mir zu helfen, obwohl er mit Tanja zusammen und mit sonst was beschäftigt war, als ihn mein Anruf erreichte. Und an seinem Gesichtsausdruck habe ich erkannt, dass er sich echt Sorgen um mich gemacht hat und tierisch erleichtert war, als wir das Boot wieder unbeschädigt am Steg befestigt hatten. Vielleicht war das auch der Grund, weshalb ich ihn immer noch nicht damit aufgezogen habe, wie ulkig er in seinem Minischlauchboot aussah, das, als er endlich völlig durchnässt am Segelboot ankam, kaum mehr Luft hatte und kurz davor war, mitsamt seiner Einmannbesatzung unterzugehen. Ich greife nach einem Gedichtband, der auf Simon Winters Nachttischchen liegt, und blättere gedankenverloren darin herum. Ich hätte nie gedacht, dass er so etwas liest. Oder … gehört das Buch Tanja? Schnell lege ich es wieder zurück.
»Woher wusstest du eigentlich, wie man den Motor der Marina zum Laufen bringt?«, frage ich ihn und nehme noch einen Schluck Kaffee. »Ich hatte noch nicht einmal eine Ahnung davon, dass das Boot überhaupt so ein Ding besitzt, sonst hätte ich natürlich selbst versucht, ihn zu starten.«
Mein Bodyguard schüttelt seufzend den Kopf und wirft mir einen verständnislosen Blick zu. »Ehrlich gesagt, ich checke noch immer nicht, wie das passieren konnte. So ein Boot löst sich doch nicht einfach ganz von allein vom Steg. Und wenn man sich schon den ganzen Tag an Deck aufhält, muss man sich doch wenigstens halbwegs mit dem Equipment auskennen, oder?«
»’tschuldigung«, murre ich. »Ich hatte ja gar nicht vor, damit aufs Wasser zu fahren, wozu sollte ich mich dann auskennen? Ich glaube übrigens, dass es ein paar Kids waren, die mich ärgern wollten und die Seile gelöst haben«, schwindle ich. »Mir sind die beiden Jungs schon zuvor aufgefallen, die waren wahrscheinlich nur auf der Suche nach jemandem, dem sie einen Streich spielen können, und nachdem ich dann eingedöst bin …«
Simon Winter betrachtet mich einen Moment mit einem seltsamen Ausdruck. Sein Gesicht sieht ernst aus und alles Schalkhafte und Spöttische ist daraus verschwunden. Beinahe wirkt er niedergeschlagen oder sogar … verzweifelt? Ich schlucke, denn sein Anblick berührt mich auf schmerzhafte Weise und mit einem Schlag überkommt mich ein Schwall von schlechtem Gewissen wegen dem, was ich getan habe.
»Mia«, sagt er plötzlich leise und indem er den Blick von mir wendet, »ich glaub, ich …«
»Ja?« Meine Stimme klingt krächzig und dünn und mir wird heiß unter meiner Wolldecke, die er mir umgelegt hat und die nach ihm und seinem Duschgel duftet. »Was … wolltest du sagen?«
»Ich weiß nicht, ob ich noch länger auf dich aufpassen kann. Vielleicht wäre es besser, wenn ich kündige.«
»Was? Aber … warum denn?« Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte von
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