Mein Leben für dich
die bringen nichts aus ihm heraus. Irgendwann werden sie ihn zwecks mangelnder Beweise laufen lassen müssen. Zum Glück ist er zäh.«
Ich öffne den Mund, beiße mir diesmal jedoch lieber auf die Lippen. Dabei platze ich fast vor Ungeduld. Was soll dieser ganze Müll bedeuten? Warum kann Rick nicht einmal einfach aussprechen, was Sache ist? Was genau wird Ben vorgeworfen? Was wird den anderen vorgeworfen, wie Rick eben angedeutet hat?
»Ich weiß, dass Ben dir nichts von unseren anderen Geschäften erzählt hat«, fährt Rick endlich gedankenverloren fort. »Er hielt es für das Beste, aber … in Anbetracht der jetzigen Umstände bin ich mir sicher, er würde es verstehen, wenn ich dich einweihe. Eigentlich ist es die einzige Möglichkeit, die mir bleibt.«
Mein Herz klopft, denn sosehr ich mir auch wünsche, endlich die Wahrheit zu erfahren, sosehr ist mir auch bewusst, dass sie mir erst mal den Boden unter den Füßen wegziehen wird.
Mia
»Ach, wenn das mal nicht die kleine Falkenstein ist, was für eine Überraschung!«
Vor Schreck entfährt mir ein kurzer Schrei. »Oh Mann, musst du dich so anpirschen?«, stoße ich atemlos hervor. Neben mir im schwach beleuchteten Theaterkorridor steht Carolin von Sebald in einem langen schwarzen Kleid. Ich habe sie nicht kommen hören, sie muss sich angeschlichen haben wie eine Katze. Das schwarze glänzende Haar fällt ihr offen über die Schultern, ihre Lippen sind tiefrot geschminkt und auf den ersten Blick erinnert sie mich an Morticia, die Mutter aus der Addams Family . Mir rieselt eine Gänsehaut über den Rücken.
»Was machst du hier?«, will sie wissen und blickt mich lauernd aus dunkel geschminkten Augen an, die nichts mehr sind als zwei schmale Schlitze. »Gäste haben hier eigentlich keinen Zutritt.«
Ich spüre augenblicklich ein Gefühl von Unterlegenheit, was mich schrecklich ärgert. Bloß, weil ich nicht zu dieser Theaterclique gehöre und Caro und Kai sich schon länger kennen, heißt das noch lange nicht, dass ich mich vor ihr kleinmachen muss, oder? Ich zwinge mich zu einem selbstbewussten Lächeln. »Kai hat mich eingeladen«, sage ich mit fester Stimme. »Er wollte, dass ich heute bei den Proben für Don Carlos zuschaue. Er duscht gerade, danach wollen wir noch etwas trinken gehen.«
Caro sieht mich weiterhin kalt an, dann nickt sie mit einem überheblichen Lächeln, macht aber keine Anstalten, von hier zu verschwinden. »Verstehe, so ist das also.«
»Ja, so ist das. Sag mal, Carolin, darf ich dich etwas fragen?«, sage ich angriffslustig, weil es mich immer mehr ärgert, wie herablassend sie mich behandelt und wie selbstverständlich sie sich in Angelegenheiten einmischt, die sie nichts angehen.
»Natürlich.«
»Kann es sein, dass du bis über beide Ohren in Kai verliebt bist und ihn deshalb die ganze Zeit verfolgst und beschattest wie eine kranke Stalkerin?«
Caros Ausdruck bleibt unverändert, nur das leichte Zucken um ihre Mundwinkel verrät, dass meine Frage sie offensichtlich getroffen hat, und genau das wollte ich bezwecken. Ich wollte ihr nicht nur die Stirn bieten und ihr zeigen, dass ich mich nicht von ihr einschüchtern lasse, ich wollte sie zugleich auch verletzen.
Carolin öffnet ihre roten Lippen und macht einen kleinen Schritt auf mich zu. »Und … kann es vielleicht sein, dass du , kleine Mia, gar nicht weißt, worauf du dich einlässt, wenn du dich mit Kai triffst?«, hält sie mir mit drohend leiser Stimme entgegen. »Weil du ihn nämlich kein bisschen kennst?«
Ich schlucke. Ihre Nähe ist mir unangenehm und automatisch presse ich mich stärker gegen die Wand. Wo bleibt denn nur Kai?
»Kai ist Künstler«, fährt Carolin fort. »Und er ist eine schwierige Persönlichkeit, nicht der Märchenprinz, den du vielleicht in ihm siehst. Dich auf ihn einzulassen bedeutet, dich selbst aufzugeben. Und für ein junges Mädchen, das noch nicht einmal weiß, wer oder was es später einmal sein will, ist das eine ziemlich schwierige Ausgangssituation, meinst du nicht auch?«
Erst starre ich sie geplättet an, doch dann schüttle ich einfach nur den Kopf. »Es muss dich wirklich tierisch ärgern, dass du nicht die einzige Frau an Kais Seite bist, sondern nichts weiter als seine zweitrangige Schauspielerkollegin, die immer in seinem Schatten stehen wird«, sage ich mit mitleidsvoller Stimme. Ich weiß selbst nicht, woher ich den Mut und das Selbstverständnis aufbringe, ihr so etwas ins Gesicht zu klatschen. Eigentlich ist das ganz
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