Mein Leben für dich
Etui aus der Hand, dann verschwindet er in der Umkleide. Ich lehne mich mit dem Rücken gegen die kühle Wand und schließe die Augen. Zum ersten Mal, seit mich Simon heute vor dem Theater abgesetzt hat, habe ich das Gefühl, dass sicher alles in Ordnung kommt und dass es richtig ist, jetzt hier bei Kai zu sein. Erst hatte ich befürchtet, er habe nach seiner Rückkehr aus Stuttgart vielleicht erfahren, was Viola Mertens Albernes über mich und Simon Winter geschrieben hat, aber anscheinend liest er den Freistil nicht oder er gibt einfach nicht viel auf den Klatsch der Presse.
Kai ist jemand, der über den Dingen steht, auch wenn er im Moment ziemlich neben der Spur ist. Aber er muss sich sicher nur etwas entspannen und abgelenkt werden, immerhin hat er ein paar anstrengende Tage hinter sich. Wir werden in dieses Saphir gehen, ein Glas von dem exquisiten Wein trinken und uns hervorragend unterhalten. Das wird ein wunderschöner Abend, sage ich mir. Ein Abend, der die Dinge vielleicht endlich klarer werden lässt. Jeder von uns wird in das Leben hineinfinden, das zu ihm passt. Ich in meines und Simon … in seines.
Ich atme tief ein und stelle mit Erleichterung fest, dass mit jeder weiteren Minute, die ich hier auf Kai warte, etwas mehr Ruhe in meinen Kopf einkehrt und ich mich längst nicht mehr so durcheinander fühle wie in den letzten eineinhalb Tagen seit meinem vorgetäuschten Bootsunglück. Die ganze Aktion hat mich mehr geschlaucht, als ich dachte, und ich habe die Nächte wach gelegen und über meinen Bodyguard nachgegrübelt und darüber, was er für mich getan und wie er mich anschließend angeschaut hat. Mit diesem niedergeschlagenen, verzweifelten Blick. Aber meine Unruhe war sicher nur der letzte Ausläufer meines schlechten Gewissens ihm gegenüber und der Angst, dass er es sich noch einmal anders überlegen und tatsächlich das Handtuch werfen könnte.
Klar, meine panische Reaktion vorgestern war vielleicht etwas übertrieben, genau wie dieses plötzliche Herzklopfen, das mich überfallen hat. Aber inmitten dieser wirren Situation und meiner Gefühlsduselei ist mir trotzdem ein Punkt klar geworden: Ich will tatsächlich keinen anderen Aufpasser mehr an meiner Seite. Noch einen Wechsel würde ich nicht verkraften, glaube ich. Und sosehr mich Simon in den letzten Wochen auf die Palme gebracht hat, er ist gleichzeitig auch jemand, mit dem ich auf einer Augenhöhe reden kann und der mir zuhört. Ich vertraue ihm und fühle mich wohl in seiner Nähe. Das ist … sehr viel.
Simon
»Simon, du wirkst irgendwie verspannt«, meint Rick mit nach oben gezogenen Augenbrauen.
Ich stecke schnell mein Handy weg, auf das ich einen verstohlenen Blick geworfen habe – anscheinend nicht verstohlen genug.
»Was ist los mit dir? Hast du noch was Wichtigeres vor?« Die Gereiztheit in Ricks Stimme ist nicht zu überhören.
»Nein, nein, ich … dachte nur, mein Handy hätte vibriert«, stammle ich ausweichend, wobei ich eigentlich nur nachsehen wollte, ob sich Mia vielleicht gemeldet hat. Ich habe sie vor eineinhalb Stunden vorm Theater abgesetzt, nachdem sie wie ein Wasserfall lauter belangloses Zeug gequasselt und mich dabei kein einziges Mal richtig angesehen hat. Unser Gespräch von vorgestern hat sie allerdings mit keiner Silbe erwähnt. Irgendwie war ich froh darüber und andererseits … hätte ich gerne gewusst, ob sie auch noch länger darüber nachgedacht hat. So wie ich.
Ich spüre Ricks Blick auf mich gerichtet und fühle mich auf der Stelle ertappt. Meine Wangen und meine Stirn beginnen zu glühen, als würden Ricks Augen heiße Laserstrahlen aussenden, die durch meine Haut und meinen Schädel dringen, um abzuchecken, was in mir vorgeht. Ich fühle mich unbehaglich, obwohl ich nichts zu verbergen habe. Rick weiß schließlich über meinen Job Bescheid und mehr ist da nicht.
»Mike?« Rick wendet sich jetzt zum Glück dem Dritten in unserer Runde zu und das Brennen auf meinem Gesicht lässt nach. »Hol uns doch bitte allen ein Bier. Dieses Gespräch soll schließlich nett werden. Eine Art Neuanfang.« Er wirft mir ein schmales Lächeln zu und Mike erhebt sich vom Sofa, um an Ricks Kühlschrank zu gehen. Es wundert mich ein bisschen, dass Till nicht dabei ist, denn bisher habe ich noch keinen der beiden jemals ohne den anderen gesehen. Till und Mike sind so etwas wie ein festes Team.
Ich blicke mich verstohlen um. Es ist das erste Mal, dass ich in Ricks Loft bin. Ich wusste zwar, wo er wohnt, weil wir
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