Mein Leben für dich
paar Sekunden schwarz vor Augen und jemand rammt mir seine unsichtbare Faust in den Magen. Ich lasse das Handy sinken. »Verdammt«, murmle ich und hämmere mit meiner geballten Hand gegen das Lenkrad. Sofort fährt ein schmerzhafter Stich durch meine angeschwollenen Finger. »So eine verdammte Scheiße!« Dass es noch schlimmer kommen könnte, damit hätte ich im Leben nicht gerechnet.
Ich fühle mich wie unter Drogen, als ich den Motor erneut starte und mir verzweifelt die unterschiedlichsten und irrsten Ausreden zurechtlege, die ich Mia auftischen könnte. Ausgerechnet das Saphir … »Ich wollte mir nur das Restaurant anschauen«, murmele ich vor mich hin. »Der Besitzer ist ein alter Bekannter meines Vaters. Was, der andere Typ? Welcher andere Typ? Ein Glatzkopf? Keine Ahnung, ist mir nicht aufgefallen. Warum Niki so fertig aussah? Hat wahrscheinlich die Frau eines anderen gevögelt und wurde dabei erwischt. Das kommt davon, wenn man seine Finger nicht dort lässt, wo sie hinge–«
Autoreifen quietschen, irgendjemand hupt und ich lege gerade noch eine Vollbremsung hin. Scheiße, die Ampel war rot und ich stehe mitten auf der Kreuzung. Ein Fahrer fuchtelt wütend mit einer Hand vor seinem Gesicht herum und zeigt mir den Vogel. Ich strecke ihm den Mittelfinger entgegen, obwohl ich es war, der Scheiße gebaut hat. Mein Puls rast und ich schließe die Lider, um mich kurz zu sammeln. Doch dabei taucht sofort wieder das gutmütige, lächelnde Gesicht von Niki Demeter vor mir auf. Ich steige aufs Gas, aber meine Knie zittern so sehr, dass es mir schwerfällt, die Pedale richtig zu bedienen. Kurz darauf höre ich auch noch Demeters Stimme. Verdammt, ich drehe noch komplett durch. »Ich komme gut zurecht, Junge, danke«, höre ich ihn freundlich sagen, während er Mike und mir mit ruhiger Hand einen Ouzo einschenkt. »Ihr Kollege war neulich bereits hier und hat mir Ihr Angebot unterbreitet. Ich habe natürlich darüber nachgedacht, aber … wissen Sie, ich sehe den Sinn in Ihrem Schutzprogramm nicht ganz und würde gerne darauf verzichten. Ich habe keine Feinde in Hamburg, niemand hätte einen Grund, mich zu belästigen. Außerdem sind meine Nachbarn sehr hilfsbereit und haben ein Auge auf mein Restaurant, wenn ich mal –«
Das war der Moment, in dem ich ihm den ersten Schlag ins Gesicht versetzte und damit seine Gutmütigkeit in blankes Entsetzen verwandelte. Es war noch nicht einmal mein eigener Wille, der mich dazu antrieb zuzuschlagen, es waren Mikes kalte, fordernde Augen, die meine Faust haben vorschnellen lassen. Und dann … habe ich nur noch funktioniert, habe alles in mir ausgeschaltet, was mich noch hätte stoppen können. Das Einzige, woran ich denken konnte, war: wenn nicht Niki Demeter, dann ich. Und folglich auch Ben. Ich habe das Geld förmlich aus dem Mann herausgeprügelt und selbst dann noch weitergemacht, nachdem Mike das Bündel längst in seine Jackentasche gesteckt hatte.
»Das reicht, hör auf jetzt!« Es war auch Mike, der mich in meiner Rage stoppte. Ich selbst konnte es nicht mehr, ich hätte Demeter vermutlich zu Tode geprügelt. Ich ertrug diesen entsetzten Ausdruck in seinem Gesicht einfach nicht, mit dem er mich die ganze Zeit über ansah. Ich wollte ihn mit meinen Schlägen unkenntlich machen, damit er mir keine Angst mehr einjagen, mir kein schlechtes Gewissen mehr machen konnte. Bevor ich den Laden verließ, kippte ich den Ouzo herunter und warf das Glas einfach auf den Boden. Mike war bereits aus der Tür verschwunden und abgehauen, wie ausgemacht. Ich setzte mich ebenfalls in mein Auto und brauste davon. Mein Kopf war leer. Restlos leer. Und das Einzige, was mich davon abhielt, das Lenkrad loszulassen, die Augen zu schließen und einfach geradeaus in den nächsten Baum zu rasen, war ihr Gesicht. Mias große braune Augen, die mich ansahen, und ihre Lippen, die sich bewegten: »Ich brauche dich, Simon.«
Ihr Gesicht und ihre Stimme waren es, die mich sicher zurück ins Hotel geführt haben. Und es ist ebenfalls Mia, die mich jetzt an diesen verdammten Ort zurückruft.
Ich sehe sie schon von Weitem. Mia und Kai warten vorm Saphir . Mein Herz klopft heftig, als ich verlangsame. Es ist das zweite Mal an diesem frühen Abend, dass ich diese Strecke mit mulmigem Gefühl zurücklegen muss. Mia gibt Kai einen flüchtigen Kuss und ich schaue weg. Ich will nicht sehen, wie nahe sich die beiden inzwischen sind, dass er sie berühren, ihren Duft einatmen darf. Als Nächstes höre ich,
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