Mein Leben in 80 B
einzige große Kacke. Ich meine … nun habe ich Toni schon angelogen, obwohl …, na ja, ich meine, so richtig ist ja eigentlich … und jetzt weiß ich auch nicht», schniefte ich.
Elissa setzte sich in aller Ruhe auf und reichte mir ein Papiertaschentuch aus einer Box neben dem Bett. «So, meine Liebe, jetzt beruhigst du dich erst einmal. Hol mal tief Luft. Ich besorge uns einen Champagner gegen den Nachdurst, du sortierst kurz deine Gedanken, und dann erzählst du mir alles der Reihe nach. So heftig wird es schon nicht sein. Im schlimmsten Fall wird es sexuell, aber Herrgott, darf man da überhaupt von ‹schlimm› reden? Ach du meine Güte, das ist wirklich der aufregendste Geburtstag, an den ich mich erinnern kann.»
Sie verschwand murmelnd aus dem Zimmer, da klingelte mein Handy. Unbekannte Nummer. Das konnten weder Tom noch Toni, noch Hanna sein. Womöglich Oke? Das Herz klopfte mir bis zum Hals. Es fühlte sich ein wenig an wie damals, als ich mich nach Wochen endlich getraut hatte, von einer Telefonzelle aus Jens anzurufen, der mit mir in den Konfirmandenunterricht ging und wunderschöne braune Augen mit mädchenhaft langen Wimpern hatte. Aber als Jens am Telefon nur vor sich hingebrummt hatte, war sehr schnell klargeworden, dass die Liebe einseitig war.
Ich starrte das Gerät an und versuchte abzuwägen: rangehen und mir anhören, was Oke wollte? Es klingeln lassen und später zurückrufen, wenn ich mir über meine Gefühle Klarheit verschafft hatte? Gar nicht mehr mit Oke sprechen?
«Ist er das? Warum gehst du nicht ran?» Mit zwei Gläsern in der einen und einer grünen Flasche in einem Weinkühler in der anderen Hand kam Elissa zurück ins Zimmer. Sie stellte die Sachen neben das Bett, zog die Decke zurück und klopfte auf die Matratze. «Komm. Kuschel dich ein. Wenn du erst ein Glas Schampus getrunken und deiner lieben Freundin alles gebeichtet hast, wird es dir viel, viel besser gehen.»
Schon wieder kämpfte ich mit den Tränen. Trotzdem stieg ich tapfer aus meinem Rock und dem Glitzeroberteil, kramte meinen Pyjama unter dem Kopfkissen hervor, zog ihn an und kuschelte mich dann unter die Decke.
Elissa setzte sich neben mich und reichte mir ein Glas von dem Champagner. «So. Und nun erzähl, was passiert ist. Ich habe noch gesehen, dass du mit Oke irgendwann am Morgen verschwunden bist. Seid ihr da zu ihm nach Hause?»
«Nein. Wir wollten eine Currywurst oder so essen. Draußen war es spiegelglatt, und beinahe wäre ich ausgerutscht, aber Oke hat mich aufgefangen, und dann standen wir da, und dann … und dann …»
«Habt ihr euch geküsst.»
Heiße Tränen kullerten mir über die Wangen. Ich fühlte mich so schuldig. «Ich werde Toni nie wieder in die Augen sehen können. Ich habe Oke sogar gern geküsst. Und dann bei ihm übernachtet. In seiner Wohnung und in seinem Bett.»
Elissa legte einen Arm um mich. «Nun mal langsam und vor allem eins nach dem anderen. Gab es nach diesem ersten Annäherungsversuch einen weiteren Austausch von Körperflüssigkeiten? Den du vielleicht sogar genossen hast?»
«Nein! Ich war komplett angezogen, als ich aufgewacht bin. Die letzten fünf Sektcocktails hätte ich wohl besser nicht getrunken, aber so weit hatte ich meine Sinne anscheinend noch beisammen, dass es nicht bis zum Äußersten gekommen ist.» Schniefend versuchte ich, mich zu beruhigen.
«Nach geil kommt müde, könnte man auch sagen», kommentierte Elissa trocken. «Vielleicht wolltest du insgeheim viel mehr, aber dann hat dein Körper das Kommando übernommen und dich einfach ausgeschaltet. Kann aber auch sein, dass du nur in Kuschelstimmung warst. Ärgerlich.» Sie nahm noch einen Schluck Champagner. «Hat Oke beim Aufwachen nicht gleich an der Fortsetzung eurer Knutschszene gearbeitet?»
«Der hat zum Glück noch tief und fest geschlafen, als ich gegangen bin.»
«Aber du hast ihm einen Zettel hingelegt und ihm darauf ewige Liebe geschworen und seinen Kuss als den besten aller Zeiten gepriesen.»
Gegen meinen Willen musste ich lachen. «Natürlich nicht. Meine Telefonnummer hatte er gestern schon in seinem Handy gespeichert. Wahrscheinlich hat er eben versucht, mich zu erreichen.»
«Ja, das nehme ich auch mal an. Mensch, Ilse. Nun sprich doch wenigstens mit dem armen Menschen. Der hat sich bestimmt bis über beide Ohren in dich verknallt, knutscht mit dir, nimmt dich mit zu sich nach Hause. Dort bekommt er statt eines Abenteuers ein Schnarchkonzert, und jetzt kann er sich nicht
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