Mein Leben, meine Filme - Die Autobiografie
»Unbekannten Soldaten« gedenkt, müsste man eines Tages auch dem »Unbekannten Lehrer« ein Denkmal errichten.
Oder man müsste den Lehrern zumindest ein Gehalt zugestehen, das ihrer Verantwortung Rechnung trägt. Es würde doch genügen, das Geld aus anderen Bereichen, wie zum Beispiel der Rüstung, abzuziehen. Wenn man dieses Geld in Bildung steckt, führt das langsamer zu Einnahmen, als wenn man es in Zerstörung investiert. Krieg ist ein Synonym für die Anschaffung neuer Waffen und für den Ausverkauf alter Waffen; Krieg bedeutet Aufbau nach der Zerstörung. Ein echtes Paradox.
Soviel ich mit meiner geringen Bildung weiß, war den Menschen nur um 400 vor Christus in Griechenland ein glückliches Zeitalter der Demokratie und ohne Kriege vergönnt. Dann kamen Kriege, Massaker und Zeiten des Waffenstillstands - und heute schickt sich der Mensch an, zum Mars zu fliegen, während er eine beträchtliche Anzahl seinesgleichen verhungern lässt und immer neue Feindbilder erfindet (gestern die Kommunisten, heute die Moslems). Die Mächtigen brauchen den Krieg, und wie Clausewitz schrieb, ist er die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Aber das sind gefährliche Überlegungen, denn sie führen uns zu weit weg vom Thema, in Bereiche, die sogar Philosophen ins Wanken bringen - ganz zu schweigen von einem Chemiker!
Italien als Einheit gibt es gerade einmal seit 150 Jahren, in denen häufig Fremde in unser Land einfielen. Wir selbst sind alles andere als ein geeintes Volk. Wir würden uns etwas vormachen, wenn wir glaubten, wir könnten mit den anderen Europäern Hand in Hand We are the world singen, geeint durch den Euro.
Der bereits verstorbene bayerische Ministerpräsident Strauß sagte mir mal bei einem Abendessen: »Würden in Italien die Deutschen leben, wäre dieses Land schon vor Jahren zugrunde gegangen. Aber Gott sei Dank gibt es die Italiener.« Als geeintes und einträchtiges Volk haben wir wirklich noch nie eine gute Figur abgegeben, doch dank unserer besonderen Begabungen haben wir zwei Weltkriege überlebt, unser Land wieder aufgebaut und den Sprung vorn Agrar- zum Industriestaat geschafft; daneben mehrere Erdbeben, Überschwemmungen, Terrorismus und die Mafia überstanden; und auch heute gelingt es uns, trotz der allgemeinen Teuerung, jeden Monat über die Runden zu kommen ... sogar ohne auf unser Handy zu verzichten!
Also Hut ab vor der schweigenden Masse, die es immer von Neuem geschafft hat, wieder auf die Beine zu kommen, oft jenen zum Trotz, die sie regierten. Ich glaube seit jeher unerschütterlich an den italienischen Durchschnittsbürger, ungeachtet aller Streitereien zwischen Norden und Süden, die mir, wie schon gesagt, wegen meiner Familie, deren Blut sich aus brescianischem und neapolitanischem zusammenmischt, sowieso immer bedeutungslos vorkamen. Im Übrigen ist es mir auch in jenen schwierigen Jahren nie passiert, dass ich wegen meiner neapolitanischen Herkunft diskriminiert wurde - ganz im Gegenteil. Der Wiederaufbau nach dem Krieg war ein Lackmustest, der das wahre Wesen der Italiener zum Vorschein brachte. Sie bauten ihr Land mit viel Beharrlichkeit wieder auf, jeder leistete seinen Beitrag, je nach seinen eigenen Fähigkeiten; ganz gleich, ob er aus Mailand, Sizilien, Rom oder Neapel stammte.
SÜDAMERIKA
1947 - 51: MEINE
»NEUE WELT«
»Die wahre Entdeckungsreise besteht nich darin,
dass man neue Landschaften sucht,
sondern dass man mit neuen Augen sieht.«
MARCEL PROUST
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»Ich sehe zwar nicht so gut,
reise aber trotzdem.«
BUD SPENCER
3. Kapitel
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D a mein Vater ein unternehmungslustiger Industrieller war, wurde es ihm im Rom der Nachkriegszeit zu eng. Deshalb beschloss er 1947 nach langen Überlegungen, mit uns allen nach Südamerika zu ziehen, wo bereits andere Auswanderer Arbeit gefunden hatten. Diese Entscheidung wurde außerdem von zwei weiteren Faktoren begünstigt: Zum einen war es meinem Vater lieber, die Ärmel hochzukrempeln und woanders neu anzufangen, als Entschädigungen beim italienischen Staat einzufordern, der ohnehin schwer am Wiederaufbau zu tragen hatte. Auch darin bestand sein Stolz, Italiener zu sein. Zum anderen hatte uns eine Freundin mit brasilianischen Wurzeln eingeladen, zu ihr nach Rio de Janeiro zu ziehen. Sie malte uns die Möglichkeiten, die Brasilien all jenen bot, die genug Offenheit mitbrachten und tüchtig waren, in den leuchtendsten Farben aus.
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Aber für meine Familie war das
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