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Mein Leben, meine Filme - Die Autobiografie

Mein Leben, meine Filme - Die Autobiografie

Titel: Mein Leben, meine Filme - Die Autobiografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bud Spencer
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in Wirklichkeit wie ein Sprung ins kalte Wasser. Ich sollte dort, bevor wir später nach Argentinien auswanderten, die Zeit zwischen meinem 18. und 21. Lebensjahr verbringen. In Italien ließ ich meine Freunde, eine vielversprechende Sportkarriere, bürgerliche Gewohnheiten und eine Welt zurück, die ich liebte und die auch mich liebte, wie es bei Sport-Champions üblich ist. Und es ist kein leeres Geschwätz, wenn ich sage, dass man sich kaum jemals so sehr als Italiener fühlt wie in solch einem Moment, in dem man Italien für ein unbekanntes Ziel verlässt. Jene Momente sind es, in denen man ein Gefühl der Liebe und der Zugehörigkeit verspürt, dem ich mit einem Begriff Ausdruck geben könnte, der heute vielleicht zu Unrecht außer Mode gekommen ist: »amor patrio«, Vaterlandliebe.
     Und doch sind es genau jene Erfahrungen, die das Leben eines jungen Menschen prägen und die einen neue, wunderbare Welten entdecken lassen wie jene, die wir in Brasilien vorfanden. Hier war die Kultur im Vergleich zu unserer so viel einfacher und ursprünglicher, die Musik war wie der dazu passende Soundtrack und die »Farbe« dieser Leute. Die Schrecken des Krieges waren hier ganz weit weg. Wer sich an das Staunen von Alice erinnert, als sie ins Wunderland kommt, hat vielleicht eine vage Vorstellung davon, wie sprachlos ich war, als ich das in Trümmern liegende Rom verließ und in ein Land kam, das kaum industrialisiert und von einer bezaubernden, geradezu magisch wirkenden Symbiose zwischen Mensch und Natur gekennzeichnet war. Die Reise unternahmen wir auf einem Dampfschiff namens Argentina : eineinhalb Monate auf dem offenen Meer, mit dem Ziel Rio de Janeiro. Nach den ersten Tagen voller Enthusiasmus erinnere ich mich an eine gewisse Langeweile, da die Zeit einfach nicht verging. Alle außer mir hatten ständig Probleme mit dem Magen, und das irritierte den Koch des Schiffs, der eigens für den einen Passagier kochen musste, der sich zum Essen angemeldet und eine Vorliebe für üppige Portionen hatte. Und tatsächlich war ich der Einzige, der zur Mittagsstunde stets mit einem Bärenhunger erschien, während die anderen damit beschäftigt waren, sich über die Reling zu krümmen, falls sie nicht rechtzeitig die Toiletten in ihren Kabinen erreichten. Ihre Übelkeit wurde dadurch, dass sie mich mit so großem Appetit essen sahen, zusätzlich angeregt.
     
    *
      
    Ich glaube, das einzige Mal, dass ich nicht pünktlich erschien, war, als ich ein kleines Tête-a-Tête in einem Rettungsboot hatte. Mein Vater aber kümmerte sich persönlich darum, mich zu erinnern: Er fand es zu Recht seltsam, dass ich nicht erschien, und suchte mich daher überall. Als er mich fand, räusperte er sich laut, weil er vergeblich hoffte, dass wir so seine Anwesenheit bemerken und uns wieder aufrichten würden. Folglich war er gezwungen sich mit einem verlegenen Lächeln über das Rettungsboot zu beugen: »Carlo, der Koch wartet nur auf dich!«
    In Rio angekommen, stiegen wir in ein kleines Boot um, die Cantuaria , die uns in acht Tagen nach Recife im Norden Brasiliens brachte. In einer Kabine wohnten meine Schwester  Vera und ich, in einer anderen Kabine mein Vater und meine Mutter. Hier wehte ein anderer Wind: Die Cantuaria war ein kleines, komplett schwarzes Wasserfahrzeug, ganz anders als der wunderschöne Transatlantik-Dampfer, der uns von Genua nach Brasilien gebracht hatte.
    In unserer »Neuen Welt« gründete mein, Vater gemeinsam mit einem Freund eine Firma, die Ölkanister herstellte. Für mich war es eine tolle Erfahrung, zum ersten Mal eine Arbeit und ein wenig selbst verdientes Geld in der Tasche zu haben. Meine Mutter hatte dort eine Bekannte die uns half, gut unterzukommen. Ich war entschlossen, meiner Familie nicht finanziell zur Last zu fallen, und so arbeitete ich nach unserer Ankunft die ersten zwanzig Tage als Träger für Mehlsäcke am Hafen. Ich trug zwei Säcke von jeweils sechzig Kilogramm Gewicht, doch erinnere ich mich an einen unglaublich starken Polen der ganz lässig drei Säcke auf einmal trug, einen davon auf dem Kopf. Die Bezahlung erfolgte nach Stück: je mehr Säcke, desto mehr Lohn. Ein schmutziges Milieu, voll von Ganoven und Verbrechern jeder Art, die tagsüber Geld verdienten, um es in der Nacht für Alkohol und Huren in irgendeiner Spelunke auszugeben.
     
    *
     
    In Brasilien gab es zu jener Zeit schier unendliche unbebaute Strände mit nur ganz wenigen Villen am Meer, wo heute eine Unmenge von Wolkenkratzern

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