Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)
kriege keine. Ich bin am Ende meiner Weisheit.
Letzte Nacht habe ich geträumt, dass mich eine Meute von Rednecks auf dem Walmart-Parkplatz auf einem Scheiterhaufen verbrannt hat. Überraschenderweise war es nicht völlig unangenehm. Ich war noch bei Bewusstsein, als ich schon zu Rauch geworden war, und es fühlte sich gut an, in Spiralen in die Luft zu steigen. Ich schwebte nicht einfach herum, wie Rauch es meistens tut. Ich flog davon, schnell und zielstrebig. Ich folgte jemandem, aber ich weiß nicht mehr, wem oder warum. Ich weiß nur, dass ich aus weiter Ferne sah, wie sie ein graues Winterfeld überquerten, während ich eine riesige weiße Spirale im Himmel bildete. Ich war frei und stark und vibrierte vor Entschlossenheit. Manchmal vergessen wir die rohe Kraft dieses Gefühls, wenn wir die Reinheit der Jugend hinter uns gelassen haben. Aber in diesem Traum habe ich sie erkannt und mich daran erinnert. Als ich aufwachte, war sie noch da, wie ein Nachgeschmack.
In meinen besten Träumen laufe ich immer auf allen Vieren wie ein Tier. Ich habe immer noch den gleichen Körper, aber ich bewege mich wie ein Vierfüßler. Ich renne, und plötzlich wird mir klar, dass ich viel schneller vorankomme, wenn ich meine Hände benutze. Ich lasse mich nach vorn fallen, bis meine Hände den Boden berühren, und dann schnelle ich mich mit allen vier Gliedmaßen voran wie ein Kaninchen, ein Gepard oder ein Reh. Es ist ein Gefühl von absoluter Freiheit und Kraft. Dieser Traum fühlt sich zehn Mal besser an als die wenigen Träume, die ich hatte, in denen ich fliegen konnte. Diese Laufträume habe ich, so weit ich zurückdenken kann, und sie kommen mir immer vor wie das Natürlichste auf der Welt. Jemand hat mir mal erzählt, in diesen Träumen werde ich zu meinem Totemtier, ich nehme die Gestalt meines Geistführers an, und wahrscheinlich hat es etwas mit meiner indianischen Herkunft zu tun. Diese Theorie hat nur den einen Haken, dass ich nicht aussehe wie ein Tier, wenn ich mich in diesem Traum selbst sehe. Ich sehe aus wie ich, nur dass ich viel schneller rennen kann als jeder Mensch.
Das Trauma des Lebens umkreist mich wie ein Rudel Wölfe. Es wartet darauf, dass die Erschöpfung mich in die Knie zwingt, damit es mich in aller Ruhe verschlingen kann. Es lässt sich Zeit mit meinen Knochen, stolz auf sein grausiges Festmahl. Wenn das Leben dich frisst, fängt es immer mit deinem Herzen an.
Ich habe immer Verachtung für Schwäche gehabt und für die, die ein Schmerzmittel brauchen, um den Tag zu überstehen. Diese Verachtung beruht auf falschem Stolz. Stark an mir ist jetzt nur noch der Griff, mit dem ich meine Masken und Selbsttäuschungen festhalte. Ich fühle jetzt nur noch die Operation ohne die Betäubung. Ich kenne nichts als Angst, und ich finde keinen Weg hinaus.
Ich habe einen neuen Nachbarn. Er hat seit mehreren Tagen nicht geschlafen. Die ganze Nacht geht er in seiner Zelle auf und ab und streitet mit sich selbst, in verschiedenen Stimmen. Die eine ist ein tiefes Bassgrummeln, die andere ein zänkisches Kreischen, und die dritte flucht und beschimpft immer nur die beiden anderen. Manchmal verschmelzen sie alle zu einem erstickten Gurgeln mit vorquellenden Augen. Es hört erst auf, wenn es hell wird.
Zum ersten Mal sehe ich, dass ich mein ganzes Leben an einem Pendel verbracht habe, das hin und her schwingt zwischen den beiden Gesichtern Gottes – dem einen, das sich im Schatten verbirgt, und dem andern, das aus dem Licht leuchtet. Zigaretten, Yoga, Schlaftabletten, Meditation, trashige Horrorfilme, Musik von Bach, Sex, in dem ich mich verliere, der Katholizismus, der Selbstzerstörungsdrang, die Hingabe an die Ekstase der Liebe. Ich habe das Gesicht des Lichts gesehen, als ich mich bemühte, das Leben durch das Herz der Rose zu verstehen.
Mehr als alles andere wünsche ich mir heute, ich könnte an einem kühlen Herbsttag in einem Straßencafé sitzen. Ich möchte den Wind des ausgehenden Jahres spüren, während ich eine Tasse grünen Tee trinke und langsam ein Stück Kürbiskuchen esse. Ich würde träge auf dem Stuhl sitzen und meine Gedanken nach Lust und Laune umherwandern lassen. Nichts auf der Welt versinnbildlicht absolute Freiheit für mich mehr als diese Vorstellung. Ich könnte allein sein oder in Gesellschaft eines Freundes, den ich so gut kenne, dass wir nichts zu sagen brauchen. Manchmal wache ich morgens auf und denke an Kürbiskuchen.
Ich bin davon überzeugt, dass die Menschen die Geister
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