Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)
sie für niemanden bestimmt, denn mein Vater ist jetzt schon ein paarmal verheiratet und wieder geschieden worden, und meine Mutter ist ihm mit der Zahl ihrer gescheiterten Beziehungen dicht auf den Fersen. Die Probleme zwischen ihnen fingen während meines zweiten Schuljahres an.
Nanny hatte wieder geheiratet – einen respektablen Mann namens Ivan Haynes. Er ist derjenige, den ich als Großvater mütterlicherseits in Erinnerung habe. Er konnte manchmal ein echtes Arschloch sein. Wenn er Zeuge meiner schmerzhaften Missgeschicke wurde, konnte ich mich darauf verlassen, sein amüsiertes Lachen zu hören. Angesichts meiner Kindheitsgeschichten haben manche Leute vermutet, dass er mich vielleicht nicht besonders gut leiden konnte. Aber das glaube ich nicht. Zwischen ihm und mir war viel Liebe; er tat nur das, was für die Mitglieder meiner Familie ganz natürlich ist. Wer lacht und andere aufzieht, lenkt sich damit von seinen eigenen Problemen ab.
An einem sonnigen Nachmittag, als ich vielleicht sieben Jahre alt war, saß Ivan in einem Liegestuhl auf unserer Veranda und trank eine Dose Bier. Ich habe ihn immer nur ein oder zwei Mal im Jahr trinken sehen, und dann war es nie etwas Stärkeres als Budweiser. Aus irgendeinem Grund gab er immer einen, zwei Teelöffel Salz hinein, bevor er es trank. Einmal ließ er mich an seiner Dose nippen, und da schmeckte ich nichts als Salz.
Ich spielte im Vorgarten und trug nur meine Shorts. So war ich leicht angreifbar. » Hey, Junge « , rief Ivan und blinzelte wie eine Katze in der Sonne. » Bring mir das Brett da drüben. « Er zeigte auf ein Stück Sperrholz auf der anderen Straßenseite.
Arglos hob ich es auf und wollte es zur Veranda tragen. Als der Schmerz kam, war es, als stünde mein ganzer Körper auf einmal in Flammen. Ich fing an zu quieken und wild um mich zu schlagen. Es tat so weh, dass mein logisches Denken durch einen Kurzschluss stillgelegt wurde. Ich drehte mich um mich selbst, schlug um mich und stampfte mit den Füßen, und dabei schrie ich unaufhörlich. Das Brett hatte auf einem Nest von Feuerameisen gelegen. Es war nicht das erste Mal, dass ich gebissen wurde, und es sollte auch nicht das letzte Mal sein, aber nie war es schlimmer oder schmerzhafter.
Und was tat mein Großvater, während ich in Raserei geriet? Er trank sein Bier und schaute nur halb interessiert zu. Meine Mutter kam aus dem Haus gestürzt und riss mich an sich. Sie wusste sofort, was los war, und sie trug mich zur Badewanne, um mich mit kaltem Wasser zu übergießen. Als wir auf der Veranda an meinem Großvater vorbeikamen, hörte ich ihn glucksen.
Ich hörte dieses aufreizende Glucksen wieder nach einem seiner Besuche auf einer Versteigerung, die er sehr liebte. Er durchwühlte das Gerümpel anderer Leute, erschien munter und in aller Frühe auf jedem Sperrmüllverkauf, der in der Zeitung stand, und kaufte unglaubliche Mengen von Ramsch auf sämtlichen Auktionen im Staat. Dann reparierte er das Zeug und verkaufte es an seinem Stand auf dem Flohmarkt.
Eines Tages kam er mit einer Kiste voller Kram nach Hause, und sie enthielt unter anderem ein Paar Schwimmflossen. Sie waren nicht biegsam und flexibel wie professionelle Qualitätsflossen, sondern bretthart wie versteinerte Froschfüße, und ehe sie sich gebogen hätten, wären sie durchgebrochen. Mein Großvater warf sie mir zu und meinte: » Zieh sie an und probier sie aus. «
Ich ging damit in den Garten, wo seit zwei Jahren ein Schwimmbassin stand, ungefähr einen Meter zwanzig tief. Seit es dastand, war es nicht mehr abgelassen oder saubergemacht worden, und deshalb sah das Wasser dunkelgrün und beunruhigend aus. Komische Käfer flitzten auf der Oberfläche herum und suchten jemanden, den sie beißen konnten. Die Vorstellung, in dieser Brühe herumzuplantschen, begeisterte mich nicht sonderlich.
Ich setzte mich auf die wacklige Leiter und band mir die Flossen fest an die Füße. Dann stürzte ich mich von der Leiter mitten ins Becken und fing an zu paddeln. Aber es war vergeblich; sofort fand ich mich wild rudernd auf dem Grund wieder. Ich fragte mich, ob diese Flossen vielleicht nur für imaginäre Schwimmübungen gemacht waren, nicht für den tatsächlichen Einsatz im Wasser. Egal – ich dachte: Zum Teufel damit, und wollte wieder hinausklettern. Das Dumme war nur, dass ich nicht aufstehen konnte. Die brettharten Plastikflossen verhinderten, dass ich die Füße auf den Boden bekam. In meiner Panik gelang es mir, den Kopf noch
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