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Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)

Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)

Titel: Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damien Echols
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beschützen. Ich sah, wie schwach er war, und wusste, dass er die Verzweiflung eines Lebens, wie er es mir überlassen hatte, nicht überstanden hätte. Ich wollte nichts mehr von ihm hören. Voller Verachtung fuhr ich ihn an: » Dich fresse ich bei lebendigem Leib. « Im Prozess versuchte der Staatsanwalt allen weiszumachen, ich hätte das wortwörtlich gemeint – ich sei ein Kannibale, dem nur noch der Knochen in der Nase fehlte. Natürlich habe ich nichts dergleichen gemeint. Was ich damit sagen wollte, war nur, dass ich stärker war als mein Vater; dass ich ein Leben ausgehalten hatte, unter dessen Last er schon vor Jahren zusammengebrochen und deshalb abgehauen war. Ich hatte ohne ihn überlebt, und er hatte mir mit seiner Rückkehr in mein Leben keinen großen Gefallen getan. Seine Kindlichkeit widerte mich an.
    Als ich den Arzt schließlich zu sehen bekam, ließ er mich aufnehmen und in ein Zimmer bringen. Die psychiatrische Station hatte keine Ähnlichkeit mit der Klinik in Little Rock, sondern eher mit einer Irrenanstalt. Es gab keine Gruppentherapiesitzungen, keine Kommunikation mit den Mitarbeitern, keinen festen Tagesablauf – nichts. Die Patienten irrten den ganzen Tag lang durch die Gänge, schauten aus dem Fenster auf die Stadt hinunter oder flüsterten untereinander.
    Meine Eltern kamen mich am nächsten Tag besuchen, und meine Mutter benahm sich auf ihre typische Art und Weise – als wäre alles vergeben, und wir wären jetzt wieder Freunde. Aber diesmal nicht. Ich hatte die Nase voll von ihr. Ich sagte ihr, wenn sie mich nicht auf der Stelle aus dieser Anstalt herausholte, wollte ich sie nie wiedersehen. Ihre einzige Antwort war: » Wenn du es so willst … « Dann gingen sie. Aber es war zu viel verlangt, dass sie wegblieben. Am nächsten Tag waren sie wieder da.
    Ich wurde in das Büro eines Arztes geführt, und da saßen meine Eltern auf einer Couch. Ich hatte keine Lust, wieder Freundschaft zu schließen, und benahm mich unhöflich. Schließlich fragte der Arzt mich: » Was willst du denn? « Vielleicht ist nur ein Arzt intelligent genug, um diese Frage zu stellen. Meine Eltern haben es jedenfalls nie getan. Ich hatte kein Vertrauen mehr zu ihnen und sah nur eine Möglichkeit: » Ich will nach Hause. « Ich meinte nicht das Apartment in Oregon. Mit » zu Hause « meinte ich Arkansas. Ich glaubte nicht, dass ich auch nur die geringste Chance hatte, und deshalb war ich verblüfft, als meine Eltern einverstanden waren. Während ich noch dasaß, rief der Arzt – der mit Jerry Driver in Verbindung gestanden und von ihm wusste, dass ich schon einmal » eingewiesen « worden war – tatsächlich Driver an und teilte ihm mit, dass ich nach Arkansas zurückkommen würde. So wurde arrangiert, dass ich am nächsten Morgen entlassen werden und mit dem Bus in den Süden zurückfahren würde.
    In dieser Nacht schlief ich nicht viel. Ich ging ins Bett, aber ich wälzte mich nur hin und her. Immer wieder versuchte ich zu planen, was ich tun würde, wenn ich wieder in Arkansas wäre, aber ich blieb mit meinen Gedanken nicht dabei. Ich hatte dort nicht mal eine Bleibe, aber das war mir egal. Ich wusste, es würde sich schon alles rechtzeitig fügen. Wichtig war jetzt nur, dass ich bald wieder zu Hause sein würde. Der Monat meiner Abwesenheit erschien mir wie Jahre.
    Bei Tagesanbruch duschte ich, zog mich an und ging zum Frühstück. Ein Wachmann führte mich nach unten und zur Tür hinaus, und auf dem Gehweg standen meine Eltern neben einem Taxi. Mein Koffer stand vor ihnen. Mein Vater gab mir einen Busfahrschein und das Geld, das von meinem letzten Lohn noch übrig war. Ich umarmte ihn zum Abschied, aber sein Körper blieb starr und steif, als widerstrebe es ihm, mich zu berühren. Er sagte nicht viel, und mit meiner Mutter ging es genauso. Ich legte meinen Koffer ins Taxi und stieg ein, um zum Busbahnhof zu fahren. Ich war nervös, ich war aufgeregt, und ich war allein mit siebzehn Jahren.
    Ich war noch nie mit dem Bus gefahren, und so war dieses Erlebnis ein wenig surreal. Ich hatte ungefähr eine Viertelstunde im Wartesaal gesessen, als über die Lautsprecher verkündet wurde, dass jetzt alle einsteigen sollten. Mein Koffer kam in ein Gepäckfach, und ich setzte mich auf einen anonymen Platz in der Mitte einer Reihe.
    Der Bus füllte sich schnell, und mir fiel auf, dass die Fahrgäste anscheinend vieles miteinander gemeinsam hatten. Alle waren unrasiert und sahen aus, als hätten sie ein Bad nötig, und

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