Mein Leben nach der Todeszelle (German Edition)
unsicher. Die Magick war gebrochen. Das Letzte, was sie je zu mir gesagt hat, war: » Ich muss jetzt Schluss machen. « Sie legte auf, und bis heute haben wir nie wieder miteinander gesprochen.
Bis zu diesem Augenblick hatte mein Leben wenigstens einen Zweck gehabt, eine Richtung, und ein Teil meiner selbst hatte immer noch darauf vertraut, dass alles gut werden würde. Damit war es jetzt vorbei, und ich war unendlich müde. Ich setzte mich auf die Bettkante und starrte sehr lange die Wand an. Ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte.
Meine Eltern wollten Verwandte in Kalifornien besuchen und würden ein paar Tage wegbleiben. Nanny nahm das Flugzeug, um sich dort mit ihnen zu treffen; sie fühlte sich nicht kräftig genug, um über Land zu fahren, und sie würde mit ihnen zusammen nach Oregon zurückfahren. Ich blieb lieber zu Hause. Kaum waren sie weg, ging ich in den Laden an der Ecke und kaufte zwei Flaschen vom billigsten Wein, den sie hatten – Wild Irish Rose. Dann hockte ich die ganze Nacht auf dem Balkon, schaute auf die Straße hinunter und ersäufte meine Trauer in dem miesesten Alkohol, der je von Menschen hergestellt worden war. Ich glaube, ich war an dem Punkt angekommen, den man » ganz unten « nennt. Ich war so einsam, dass ich keine Lust mehr hatte, die Energie aufzubringen, die man braucht, um weiterzuleben. Als die Sonne aufging, legte ich mich ins Bett und stand mehrere Tage lang nicht mehr auf.
Ich ahnte nicht, dass Jerry Driver in meiner Abwesenheit ein emsiges Bienchen gewesen war. Deanna hatte gezögert, weil Driver ihren Eltern erzählt hatte, ich sei ein satanisches Monster und der Anführer einer großen Sekte, die in der Umgebung allen möglichen Unfug trieb. Er habe keinen Zweifel daran, dass Deanna in Lebensgefahr sei, denn man wisse nicht, was für ruchlose Pläne ich geschmiedet hätte, um sie zu umgarnen. Er sei hundertprozentig sicher, hatte er gesagt, dass ich überall in der Stadt Opfer dargebracht und Kirchen niedergebrannt hätte (auch wenn in der ganzen Gegend keine einzige Kirche gebrannt hatte), und bei zahllosen anderen Verbrechen hätte ich ebenfalls die Hand im Spiel gehabt. Er hatte eine Geschichte zusammengesponnen, in der ich die Inkarnation des Bösen war und in Arkansas die Hölle hervorbringen wollte.
Warum er das getan hat? Ich weiß es nicht. Ich habe das alles erst später erfahren, als Teenager aus der Gegend mir erzählten, er habe sie jedes Mal, wenn sie in Lakeshore unterwegs waren, über mich ausgefragt und Benzin und Steuergelder verpulvert, während er halbwüchsige Kinder terrorisierte. Er war ohne jeden Zweifel ein sehr krankes Individuum, und ich habe nie begriffen, warum ausgerechnet ich zu seiner Obsession geworden bin. Einmal ging er so weit, dass er Jason zwang, sein Hemd auszuziehen, damit er ihn » auf satanische Zeichen untersuchen « könne. Außerdem habe ich später erfahren, dass er während der Ermittlungen nach meiner Verhaftung im Jahr 1993 Deannas Eltern dazu überredete, sie in ein » Deprogrammierungszentrum « zu schicken, um sicherzustellen, dass sie nicht mehr unter dem Einfluss meines frevelhaften magischen Banns stand. Außerdem sollten sie Kontakt mit ihm aufnehmen, wenn sie jemals wieder etwas von mir sehen oder hören sollten. Genau das ist dann auch passiert.
Nach dem Telefonat mit Deanna fragten ihre Eltern, mit wem sie gesprochen habe, und schließlich sagte sie es ihnen. Sie riefen Driver an und schlugen Alarm. Driver rief daraufhin die Polizei in Oregon an und erzählte dort, ich sei wegen aller möglichen satanischen Verbrechen in Arkansas nur auf Bewährung frei, und man solle mich sofort festnehmen. Die Polizei hielt das Ganze anscheinend für einen Scherz, aber als er weiterhin verlangte, dass sie mich festnahmen, weil ich Deanna angerufen hatte, schickten sie jemanden, der mit mir reden sollte. Das alles habe ich von Driver selbst erfahren; er hat es mir erzählt, weil er mir beweisen wollte, er habe jederzeit gewusst, was ich tat.
Ein Polizist in Zivil kam zu uns in die Wohnung, um zu sehen, was ich trieb. Er saß am Küchentisch, trank eine Tasse Kaffee und stellte mir und meiner Familie Fragen. Ich sagte ihm, ich hätte tatsächlich Deanna angerufen, aber ich sei kein Satanistenführer und hätte keine Ahnung, wovon Driver da redete. Der Officer meldete, ich verstieße gegen kein Gesetz und mache keinen abnormalen Eindruck, und das Apartment sei nicht das Treibhaus satanischer Aktivitäten, wie Driver es
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