Mein Leben
Polen verlegte deutsche Literatur zu besprechen. Ich schrieb über Arnold Zweig, Hans Fallada und Bernhard Kellermann, über Anna Seghers, Johannes R. Becher und Friedrich Wolf, aber auch über Autoren minderen Ranges.
Der erfolgreiche Dramatiker Friedrich Wolf, der Vater des Filmregisseurs Konrad Wolf und des Geheimdienst-Chefs Markus Wolf, wirkte zu dieser Zeit in Warschau: Er war der erste Botschafter der DDR in Polen. Ich kam auf die Idee, ihn zu bitten, mir Autoren aus der DDR zu empfehlen, die sich für polnische Leser eignen würden. Er empfing mich würdevoll: Jeder Zoll ein Diplomat. Da ich schon über einschlägige Erfahrungen im Umgang mit Schriftstellern verfügte, eröffnete ich die mir bewilligte Audienz mit einer knappen Beurteilung der wichtigsten Theaterstücke des Herrn Botschafters. Mir seien, sagte ich, »Cyankah« ebenso wie »Die Matrosen von Cattaro« unvergeßlich. Ich rühmte »Professor Mamlock« als Jahrhundertwerk – was, gelinde gesagt, übertrieben war. Wolf schenkte mir Cognac ein und bestellte bei seiner Sekretärin Kaffee.
Nun kamen wir rasch zur Sache. Für die Übersetzung ins Polnische sei – sagte mir der Botschafter – einer seiner Romane besonders geeignet und noch ein weiterer ebenfalls. Dankbar notierte ich mir die Titel, doch bevor ich mich nach anderen Autoren erkundigen konnte, machte mich Wolf auf eine Sammlung einiger seiner im Exil entstandenen Geschichten aufmerksam. Ferner müsse er mich auf einen umfangreichen Tatsachenbericht hinweisen und auch noch auf eine größere Erzählung – alles, versteht sich, aus seiner Feder. Dann versuchte ich das Gespräch auf jüngere Schriftsteller der DDR zu lenken. Ja, erwiderte der Botschafter, darauf werde er gleich zu sprechen kommen, doch vorerst habe er einen vielleicht interessanten Gedanken: Man könne doch einen Auswahlband seiner Dramen in polnischer Sprache publizieren. Er habe auch Aufsätze und Glossen veröffentlicht, sie seien gerade jetzt sehr aktuell, ich solle sie unbedingt lesen.
Ich nickte. Wir tranken noch einen Cognac, die Stimmung wurde immer besser. Nach etwa einer Stunde fuhr ich großzügig beschenkt zurück in mein Büro. In meiner Aktentasche hatte ich schön gebundene Bücher, sieben an der Zahl – allesamt von Friedrich Wolf. Auf meinem Verzeichnis fanden sich neun mir nachdrücklich zur Übersetzung empfohlene Titel, allesamt von Friedrich Wolf. Dieser sympathische Botschafter – dachte ich mir –, er ist doch ein richtiger Schriftsteller.
Einiges habe ich erreicht, aber letztlich hielt sich der Erfolg meiner Anstrengungen, in dem Haus, in dem ich tätig war, mehr deutsche Literatur zu verlegen, in bescheidenen Grenzen. Gleichwohl waren meine Vorgesetzten mit meiner Arbeit zufrieden. Ich war es nicht, was ich natürlich verheimlichte. Denn im Programm dieses Verlags stand im Vordergrund politische, zeitgeschichtliche und militärische Literatur, während die Belletristik eher stiefmütterlich behandelt wurde. Da kam mir ein Angebot eines der beiden führenden polnischen Belletristik-Verlage, des »Czytelnik«, sehr gelegen: Ich sollte die Leitung einer Abteilung übernehmen, zu der auch das ziemlich große deutsche Lektorat gehörte. Raum hatte ich in meinem bisherigen Verlag gekündigt, da wurde mir mitgeteilt, daß die zuständigen Genossen vom Zentralkomitee gegen meine Beschäftigung beim »Czytelnik« Einspruch erhoben hätten: Jemand, der wegen »ideologischer Entfremdung« aus der Partei ausgeschlossen worden sei, könne keinen leitenden Posten im Verlagswesen bekleiden.
Meine Kündigung ließ sich nicht mehr zurücknehmen. So war ich plötzlich ohne Stellung, ohne Arbeit. Aber ich hatte schon eine Anzahl von Kritiken veröffentlicht – und das war mein Glück. Nichts anderes blieb mir übrig, als aus meiner bisherigen Nebenbeschäftigung eine Haupttätigkeit zu machen: Ich schrieb laufend Rezensionen für verschiedene polnische Zeitungen und Zeitschriften, doch mein Generalthema habe ich nicht geändert: Ich blieb bei der deutschen Literatur. Beinahe über Nacht war ich geworden, wovon ich in meiner Jugend geträumt hatte: ein Kritiker. Und ich war, obwohl ein Anfänger, doch schon ein freier Schriftsteller.
Konnte das gutgehen? Würde ich davon leben können? Vorerst ging es ganz gut. Man hat meine Artikel gern gedruckt. Auch die Zusammenarbeit mit drei oder vier Verlagen, für die ich Lektorats-Gutachten über deutsche Bücher verfaßte, entwickelte sich nicht schlecht. Ich
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