Mein leidenschaftlicher Ritter: Roman (German Edition)
Tore.
Vielleicht würde er Williams Hilfe noch brauchen, aber jetzt noch nicht.
8
Verärgert ließ Isobel ihre Stickarbeit in den Schoß sinken, als ihre Gedanken schon wieder zu diesem verdammten Stephen Carleton wanderten. Eigentlich war es kein Wunder, denn sie hatte hier nicht viel, womit sie sich beschäftigen konnte.
Wo blieb de Roche? Sie starrte aus dem schmalen Fenster und versuchte, sich vorzustellen, wie er mit zwanzig Mann Begleitschutz durch das Tor des Burgfrieds ritt. Mit jedem neuen Tag, an dem er nicht kam, wurde sie zwischen Verletztheit und Erleichterung hin- und hergerissen.
Sie war die Tochter eines Verräters; sie wollte nicht auch die Gattin eines Verräters sein. Was würde sie tun, wenn de Roche nach ihrer Hochzeit beschloss, nicht mehr loyal zu sein? Gefangen zwischen der Pflicht ihrem Ehemann und der ihrem König gegenüber – zu wem würde sie stehen? Beide Optionen waren für sie gefährlich.
Ein einsamer Reiter, der unter ihr in den inneren Burghof trottete, erregte ihre Aufmerksamkeit. Etwas an seiner Art, im Sattel zu sitzen, war ihr vertraut …
»Geoffrey!« Sie ließ ihre Stickarbeit in einem wirren Haufen auf den Boden fallen und flog zur Tür. Hastig stolperte sie beinahe die Treppenstufen hinunter, die ungleichmäßig aus dem Stein gehauen waren, um eventuelle Angreifer aufzuhalten. Einen Augenblick später war sie aus dem Burgfried heraus und rannte über den Hof zu ihrem Bruder.
»Ich bin schmutzig«, warnte Geoffrey sie, als sie sich in seine Arme warf. Er hielt sie fest an sich gepresst und sprach in ihr Haar: »Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte.«
»Gott sei Dank geht es dir gut«, sagte sie mit Tränen in den Augen. »Ich war so beunruhigt.«
»Du solltest dir keine Sorgen um mich machen, Issie, ich bin inzwischen ein erwachsener Mann.« Er setzte sie ab und nahm ihre Hände. »Ist es möglich, dass meine Schwester noch schöner geworden ist?«
»Würdest du mit mir schimpfen, wenn ich sagte, dass der Tod meines Mannes gut für mich war?«
»Das würde ich«, sagte er, »obwohl ich weiß, dass du unter ihm gelitten hast.«
Als Mann wäre Geoffrey nie in der Lage zu begreifen, wie sehr sie gelitten hatte. Und das wollte sie auch nicht.
»Komm«, sagte sie und nahm seinen Arm. »Ich zeig dir den Weg zu den Stallungen. Und dann möchte ich, dass du Sir Robert kennenlernst, der freundliche Mann, der sich hier um mich kümmert.« Sie machte eine Pause, um den Kopf an seine Schulter zu lehnen und zu ihm aufzulächeln. »Ich bin so froh, dass du hier bist.«
»Er hat sich gewiss genügend Zeit damit gelassen.«
Isobel wirbelte überrascht herum. Stephen Carleton stand nur wenige Meter hinter ihnen, die Hände auf die Hüften gestützt, und machte ein Gesicht, das ganz und gar nicht seiner üblichen gut gelaunten Natur entsprach.
»Was hat Euch aufgehalten?«, wollte Carleton wissen und starrte Geoffrey streng an. »Eure Verspätung hat diese Dame schwer beleidigt.«
Sie hatte Carleton nie zuvor verärgert gesehen. Mit wutfunkelnden Augen sah er anders aus als sonst. Gefährlich.
Er richtete seinen brennenden Blick auf sie. »Ich hatte Euch nicht für eine derart nachsichtige Frau gehalten.«
»Es tut mir leid, wenn ich Euch auf irgendeine Weise beleidigt habe«, sagte Geoffrey und lenkte Carletons Aufmerksamkeit so wieder auf sich. »Ich bin aufgebrochen, sobald ich die Nachricht erhielt, dass meine Schwester hier ist.«
»Eure Schwester?« Carletons Miene verriet erst Überraschung und dann Freude.
»Ich dachte, Ihr wärt dieser unwürdige Franzmann von ihr«, sagte er, trat näher und klopfte Geoffrey auf die Schulter. »Willkommen in Caen! Ich bin Stephen Carleton, ein Freund Eurer Schwester.«
»Ihr dachtet, er wäre …« Sie verschluckte sich an den Worten, als heiße, dunkle Wut in ihrer Brust aufstieg. »Ihr dachtet, ich würde einen Mann, den ich nicht kenne, mitten auf dem Hof umarmen?«
»Besser auf einem geschäftigen Burghof als an einem abgeschiedenen Ort«, sagte Carleton mit einem Augenzwinkern. »Zum Glück habe ich nicht gesehen, wie Ihr ihn umarmt habt, sonst würde sich Euer Bruder jetzt den Staub vom Hintern klopfen, wenn er überhaupt noch aufstehen könnte.«
Am liebsten hätte sie ihm eine Ohrfeige verpasst. »Was geht Euch das überhaupt an?«
Geoffrey, der geborene Vermittler, sagte in einem beruhigenden Ton: »Er ist bloß ritterlich und wollte dich beschützen.« Er nahm ihren Arm und fing an, sie wegzuziehen.
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