Mein leidenschaftlicher Ritter: Roman (German Edition)
wird.«
Anfangs war sie angespannt und nicht ganz bei der Sache, aber nach einer Weile war sie ganz in ihr Spiel vertieft. Sie wechselten oft die Partner, sodass sie die Möglichkeit hatte, mit allen zu üben. Stephen – fast gegen ihren Willen nannte sie ihn innerlich jetzt Stephen – war mit Abstand der beste Schwertkämpfer und Lehrmeister.
»Ich sterbe vor Hunger! Es ist längst Zeit zu frühstücken.«
Jamies Ausruf traf Isobel völlig überraschend. Die Stunde war so schnell vergangen.
Jamie steckte sein Schwert in die Scheide und holte seinen Umhang aus der Ecke. »Treffen wir uns morgen wieder?«
Geoffrey sah sie von der Seite an und wartete.
Sie nickte lächelnd. Solange Geoffrey und Jamie auch kamen, konnte ja nichts passieren.
9
November 1417
Als Robert ihr in den Umhang half, hörte Isobel die Glocken von L’Abbaye-aux-Hommes, der großen Abtei, die Wilhelm der Eroberer westlich der Stadt hatte errichten lassen, die Mönche zum Komplet rufen. Geoffrey war heute Abend dort und betete mit den Mönchen. Er würde in der Nacht zweimal mit ihnen aufstehen, zur Matutin und zur Laudes, und dann wieder im Morgengrauen zur Prim, bevor er auf die Burg zurückkehrte.
»Wie habt Ihr es nur geschafft, mich zu überreden, Euch heute Abend zu einem geselligen Beisammensein in der Stadt zu begleiten?«, fragte sie. »Ich bin mir sicher, dass ich es hassen werde.«
»Wer weiß? Ein Abend mit den Reichen und Liederlichen mag Überraschungen beinhalten«, meinte Robert, während er ihr die Tür aufhielt. »Was haltet Ihr davon, zu Fuß zu gehen? Die Nacht ist trocken und klar.«
Sie genoss den langen Spaziergang durch die Altstadt. Doch bis sie die Brücke in die Neustadt überquerten, waren ihre Füße eiskalt. Endlich hielt Robert an dem Tor eines riesigen Hauses an.
»Habe ich eigentlich erwähnt«, fragte Robert, ohne sie anzusehen, »dass unsere Gastgeber der Baron und die Baronin de Lisieux sind?«
»Marie de Lisieux? Ihr wisst sehr wohl, dass ich nicht mitgekommen wäre, wenn Ihr mir das gesagt hättet.«
»Kommt, Ihr solltet wenigstens ein wenig neugierig sein«, sagte Robert und zwinkerte ihr zu. »Ich verspreche Euch, es wird sehr unterhaltsam.«
Beim Betreten des Hauses fiel Isobel zu ihrer Befriedigung sofort auf, dass es mit teuren, aber hässlichen Wandbehängen und viel zu viel Mobiliar abscheulich eingerichtet war.
»Scheußlich, nicht wahr?«, flüsterte Robert ihr ins Ohr. »Wartet, bis Ihr den Ehemann trefft.«
Isobel musste sich zusammenreißen, um nicht zu lachen. »Ihr seid ein boshafter Mann, Robert.«
Das Essen war wie die Einrichtung: zu viel und leider geschmacklos. Das Brot war schon ein wenig alt, das Obst unreif, die Fleischspeisen nicht wirklich gar und mit einer schweren Soße bedeckt, die eine ungewöhnlich graue Färbung hatte. Isobel war beim Aufstehen noch so hungrig, wie sie gewesen war, als sie sich an den Tisch gesetzt hatte.
Nach dem Abendessen verteilten sich die Gäste in kleinen Gruppen in den öffentlichen Räumen des Hauses. Robert ließ sich mit Isobel auf einer Bank am hinteren Ende des größten Zimmers nieder und fuhr fort, ihr unschickliche Anekdoten über die anderen Leute im Zimmer zu erzählen.
»Sprecht nicht so laut!«, schalt sie ihn.
Das Lachen blieb ihr im Halse stecken, als sie sich umdrehte und einen verspäteten Gast den Raum betreten sah.
»Ihr habt mir nicht gesagt, dass Stephen auch hier sein würde.«
Robert zog eine Augenbraue hoch. »Ihr müsst seinetwegen vorgewarnt werden?«
»Natürlich nicht.«
Dennoch war das Allerletzte, was sie wollte, zuzusehen, wie Marie de Lisieux sich den ganzen Abend an Stephen hing. Die Frau konnte schon jetzt ihre Finger nicht von ihm lassen.
»Ihr kommt mir angespannt vor, meine Liebe«, sagte Robert.
»Ihr irrt Euch.«
Während der letzten Wochen hatte sie sich an Stephens Gesellschaft gewöhnt – und sie hatte gelernt, die gegenseitige Anziehung zu ignorieren. Natürlich war sie nicht so dumm zu riskieren, noch einmal mit ihm allein zu sein.
Geoffrey und Jamie trafen sich mit ihr jeden Morgen zum Schwertkampftraining. Stephen kam nicht so oft – zweifellos war es schwierig, früh aufzustehen, wenn man am Abend zuvor bis spät in die Nacht getrunken hatte … und Gott weiß was sonst noch getrieben hatte. Trotz ihrer Vorsicht erwärmte sie sich jedes Mal für ihn, wenn er beim Training mitmachte. Er war ein geduldiger Lehrmeister und besaß Charme und Witz für zwei.
Wie konnte ein derart
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