Mein leidenschaftlicher Ritter: Roman (German Edition)
sich wirklich Zeit.
Ihr waren eine ganze Menge Gäste durch deren Besuche in der Burg vom Sehen bekannt. De Lisieux kannte natürlich alle. Sie kamen nur langsam voran, da sie immer wieder stehen blieben und mit anderen Gästen plauderten. Unterwegs griff sich Lisieux einen Weinkrug, und sie erlaubte ihm, ihren Becher nachzufüllen.
Als weder Robert noch Stephen zurückgekehrt waren, als sie mit Lisieux ihre Runde durch die öffentlichen Räume beendete und wieder im vorderen Saal ankam, war sie so wütend, dass sie hätte ausspucken können. Wo steckten die beiden? Sie wollte gehen. Wenn sie noch ein einziges »Ooh« oder »Aah« zu einem weiteren hässlichen Familienporträt von sich geben musste, könnte es passieren, dass sie zu schreien anfing.
»Ihr müsst Euch das neue Buntglasfenster anschauen, das ich in den Privatgemächern habe einsetzen lassen«, sagte Lisieux, während er sie zur Treppe führte. »Es ist handwerklich exquisit.«
Besser ein Fenster als ein weiteres Porträt. De Lisieux musste ihr wieder nachgeschenkt haben, denn sie musste ihren Becher halb leer trinken, damit sie auf der Treppe nichts verschüttete. Wenigstens war der Wein ihres Gastgebers besser als sein Essen. Er nahm ihrem Hunger die Spitze.
Am oberen Ende der Treppe drehte sie sich um und blickte zu den anderen Gästen hinunter. Von Stephen war nichts zu sehen – und auch nicht von der Dame in purpurner Seide.
»Die Privatgemächer sind hier«, sagte Lisieux und zog sie fort.
In den Privatgemächern lagen scharlachrote Kissen mit schweren Goldquasten auf dem Boden verstreut. Wie seltsam, wenn man doch Gäste erwartete. War es hier drin nicht übermäßig warm? Sie fächelte sich mit der Hand Luft zu. Die Diener mussten zu viele Kohlenpfannen aufgestellt haben.
»Entschuldigt meinen Stolz, aber ist es nicht reizend?«, sagte Lisieux und führte sie um die Kissen herum zum Fenster.
»Hübsch, sehr hübsch«, murmelte sie, obwohl außer der Größe nichts an dem Glas besonders war.
Ha, Stephen würde niemals auf die Idee kommen, hier nach ihr zu suchen. Wenn er überhaupt nach ihr suchte. Sie kniff die Augen zusammen und dachte daran, was er wahrscheinlich gerade mit der Frau im purpurnen Seidenkleid machte. Rasch stürzte sie den Rest ihres Weins hinunter. Ohne sich umzudrehen, streckte sie den Becher aus, damit Lisieux ihr nachschenkte.
Was sagte er da gerade? Etwas über Wandbehänge? Sie hatte schon vor geraumer Zeit aufgehört, seinem Geschwafel zuzuhören.
»Der im Zimmer nebenan ist äußerst ungewöhnlich«, sagte er und zog sie durch eine weitere Tür. »Ihr müsst ihn Euch ansehen.«
In ihrem Kopf drehte sich alles. »Ich würde mich gerne setzen, Monsieur de Lisieux.« Es war ihr peinlich, dass sein Name aus ihrem Mund eher wie »Me-schjö De-schjö« klang, aber es schien ihm nicht aufzufallen.
Gütiger Himmel, war sie etwa betrunken? Humes Trinkerei hatte sie so sehr angeekelt, dass sie niemals zu viel genossen hatte.
»Natürlich.« De Lisieux’ Stimme klang beflissen.
Was, natürlich? Sie hatte vergessen, was sie ihn gefragt hatte.
»Aber seht Euch zuerst noch diesen schönen Wandbehang an.«
Es war schwierig, das Muster in dem schwachen Kerzenlicht des Raums zu erkennen, doch Isobel beugte gehorsam die Nase dicht daran und bewegte sich blinzelnd die Wand entlang. Ein zur Grimasse verzogenes Gesicht, die Hinterhand eines Pferdes, die Brust einer Frau … Mit einem Mal sah sie es als Ganzes und erkannte, was es war. Zu schockiert, als dass sie auch nur ein Wort herausbrachte, starrte sie mit offenem Mund auf diese obszöne mythologische Szenerie – Satyre bei der wilden Kopulation mit Frauen.
Ernüchtert blickte sie über die Schulter. Sie befand sich, wie sie befürchtet hatte, in einem Schlafzimmer. Sie hatte nicht gehört, dass er die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. Aber geschlossen war sie. Wie hatte sie sich nur in eine solche Situation bringen können?
»Ihr hättet mich nicht hierher bringen dürfen«, sagte sie und ging in Richtung Tür.
De Lisieux verstärkte den Griff an ihrem Arm und riss sie zurück.
Sie würgte ihre aufsteigende Panik hinunter. Sicherlich würde er es nicht wagen – das Haus war voller Leute. Und Stephen war hier. Irgendwo.
»Lasst mich gehen«, sagte sie so ruhig wie möglich. »Sir Stephen wartet auf mich.«
»Glaubt mir, Carleton ist anderweitig beschäftigt, meine Liebe.«
Bevor sie sich versah, hatte Lisieux sich auf sie gestürzt. Nasse Lippen an ihrem
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