Mein leidenschaftlicher Ritter: Roman (German Edition)
Soldaten. Nach der Stille der letzten Wochen fühlte es sich chaotisch an und viel zu voll. Diener hasteten umher, deckten die Tische und trugen große Bier-, Weinkrüge und Platten herein, auf denen sich gebratenes Fleisch türmte.
Isobel stand da und reckte den Hals. Sie suchte den Raum nach dem Schimmer kastanienbraunen Haares ab. Dann hörte sie ihren Namen über dem allgemeinen Getöse und wirbelte herum. Geoffrey bahnte sich durch die Menge einen Weg zu ihr.
Wann war ihr kleiner Bruder zu diesem breitbrüstigen Mann geworden, der ihrem Vater so ähnlich war? Er kam mit drei langen Schritten bei ihr an und umarmte sie ungestüm.
»Du siehst so gut aus«, sagte sie, als sie sich ein Stückchen von ihm löste, um seinen Anblick begierig in sich aufzunehmen. Seine Haut war leicht gebräunt wie im Hochsommer. Vielleicht war er doch nicht so ungeeignet für das Soldatenleben. »Du musst mir von deinen Abenteuern erzählen«, sagte sie und zog ihn mit sich auf eine Bank.
»Ich hatte während der Belagerung Zeit, ziemlich viele Gedichte zu schreiben.«
Zu ihrem Schrecken zog er eine Pergamentrolle aus dem Beutel an seinem Gürtel und fing sofort an, laut zu rezitieren.
Geoffrey war kein schlechter Dichter. Doch warum musste er diese verträumten Gedichte über gemarterte Heilige schreiben? Nach zwei oder drei davon ertappte sie sich dabei, wie sie ihren Blick wieder durch den Saal schweifen ließ.
»Normalerweise bist du besser darin, Interesse an meinen Gedichten zu heucheln«, schalt Geoffrey sie mit seiner üblichen Gutmütigkeit.
»Natürlich will ich sie hören«, log sie.
»Issie, nach wem suchst du?«
»Nach de Roche«, log sie wieder. »Ich möchte euch miteinander bekannt machen.«
»Er ist in Caen? Warum hast du mir das nicht gleich gesagt?« Geoffrey beugte sich mit ernster Miene vor und nahm ihre Hände. »Ist er ein guter Mann? Kannst du mit ihm glücklich werden?«
Sie biss sich auf die Unterlippe, während sie darüber nachdachte, was sie ihrem Bruder sagen konnte, was der Wahrheit entsprach. De Roche war so viel mehr, als sie zu hoffen gewagt hatte. Aber manchmal … nun, es spielte keine Rolle. Und nach Hume sollte sie froh sein, wenn sie mit einem Frosch verheiratet würde.
»De Roche ist ein anständiger, ernsthafter Mann«, sagte sie schließlich. Als die Sorge nicht aus Geoffreys Gesicht wich, schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln. »Außerdem ist er der attraktivste Mann, den ich je gesehen habe.«
De Roche war eine Augenweide, aber das war trotzdem bereits die dritte Lüge.
»Und jetzt geh und iss etwas«, sagte sie und gab Geoffrey einen sanften Schubs. »Du musst so hungrig sein wie der Rest der Truppe.«
Sie ließ die Schultern sinken, während sie Geoffreys breiten Rücken in der Menge verschwinden sah. Für die Sünde, ihren Bruder belogen zu haben, konnte sie wenigstens die Entschuldigung beanspruchen, es in guter Absicht getan zu haben. Für ihre sündhaften Gedanken über Stephen hatte sie keine Entschuldigung.
Sie konnte nicht einmal Reue bekennen.
Stephen hielt die Zügel des Pferdes, auf dem die Zwillinge saßen, fest um die Faust gewickelt, während sie durch die Straßen von Caen ritten. Mit ihrem auffallend blonden Haar und fast identischen Gesichtern würden die beiden Kinder überall die Blicke auf sich ziehen. Sie gemeinsam auf einem Pferd sitzend und inmitten einer Schar Ritter in voller Rüstung zu sehen, ließ die Stadtbewohner wie angewurzelt stehen bleiben und mit offenem Mund gaffen.
Stephen ging mit diesem listigen Paar kein Risiko ein. Nach einer nur allzu kurzen Phase der Fügsamkeit versuchten sie zu entkommen. Zum wiederholten Male. Er würde sie nur zu gern gehen lassen, wenn er glauben könnte, dass ihnen nichts passieren würde. Doch kein Familienangehöriger kam nach ihnen suchen, bevor sie in Falaise aufbrachen. Sollte es jemanden in der Normandie geben, der gewillt war, die Verantwortung für sie zu übernehmen, so verrieten es die Zwillinge nicht. Sie weigerten sich sogar, ihm ihre Namen zu nennen.
Sobald er die Burgtore passiert hatte, trennte sich Stephen von den anderen Männern und ritt direkt, mit den Zwillingen im Schlepptau, zum Burgfried. Er musste dieses Mädchen loswerden. Er lächelte vor sich hin, zufrieden darüber, eine gute Entschuldigung dafür zu haben, dass er Isobel sofort aufsuchte.
Jetzt musste er nur noch herausfinden, wie er nach Isobel suchen sollte, ohne einen dieser kleinen Störenfriede zu verlieren. Er schwang
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