Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
doch all das, was Sie an mir vermissen: Stil, Selbstbewusstsein und Ausstrahlung.«
»Sarah, Sie hätten sich von jedem aus Ihrer Familie oder Ihrem Freundeskreis begleiten lassen können ...«
Sie unterbrach mich mit einer fahrigen Handbewegung.
»Nein, hätte ich nicht. Ich habe keine Freunde, ich wollte auch nie welche. Und meine Mutter übersah mich geflissentlich, während mein Vater ohnehin nie da war. Er lebt schon seit dreißig Jahren ausschließlich in Miami.«
»Ihre Eltern sind geschieden?«
»Nein«, sie winkte ab. »Sind sie nicht. Sie treffen sich zu besonderen Anlässen mal hier, mal dort.«
»Dann leben sie also getrennt.«
»Ja, so könnte man das wohl umschreiben.«
»Wie alt ist Ihre Mutter eigentlich?«
Ich erinnerte mich an ein paar Klatschgeschichten, die ich zufällig gelesen oder von denen ich über Bekannte gehört hatte. Ihre Mutter organisierte Edelpartys, Vernissagen und einen kulturellen Salon, zu dem alles drängte, was in der Kunstszene einen Namen hatte. So mancher mit so genanntem Namen blieb dennoch außen vor, weil Anna Baerenbaum neben der so genannten künstlerischen Größe oder Bedeutung Wert auf Umgangsformen legte. Und die gingen im Verlauf eines alkoholseligen Empfangs bei so manchem so genannten Künstler zum Teufel.
»Einundsechzig. Aber das sieht man ihr nicht an.«
Ich nickte, denn auf den Fotos sah Mama Baerenbaum aus wie Anfang fünfzig.
»Ich vermute, sie hat einen ausgezeichneten plastischen Chirurgen.«
Sarah zog amüsiert die Nase kraus und lachte auf. Na, siehst du, Baby, dachte ich, geht doch.
»Sie bemühte einen Südafrikaner in Kapstadt. Sie behauptete immer, von dem ließen sich auch irgendwelche Filmgrößen behandeln.«
»Na, die werden wohl kaum nach Kapstadt fliegen.«
»Angeblich wird er nach New York eingeflogen, wenn ich mich recht erinnere.«
»Aha.« Ich überlegte kurz, ob ich ihr sagen konnte, was ich zu sagen hatte, doch bevor ich eine Entscheidung traf, hatte sich mein Mund schon verselbständigt. »Sagen Sie mal, kann es sein, dass Ihre Mutter Sie nicht mag, ich meine, noch nie mochte, weil Sie sie daran erinnern, wie alt sie ist?«
Es war mir sehr wohl bewusst, dass ich mich gerade auf dem Rummelplatz psychologischer Binsenweisheiten begab.
»Kann sein. Jedes Mädchen erinnert seine Mutter daran, dass sie älter wird.«
»Untertreiben Sie mal nicht. Sie sind kein Mädchen, sondern eine erwachsene Frau, die das Alleinsein satt hat. Aber lassen wir das für heute. Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Ich kann Sie heute keinesfalls zu einem Einkaufsbummel begleiten. Aber wenn es Ihnen recht ist, gehen wir nächsten Mittwoch früh shoppen. Wie finden Sie das?«
Sarah sah mich zweifelnd an, entschied sich aber offenbar, meinem Vorschlag zu folgen, erhob sich, um sich von mir zu verabschieden und legte einen bereits ausgefüllten Scheck auf den Schreibtisch.
»Für Sie.«
Ich sah die Summe und blickte auf. »Das ist zu viel. Ich bekomme keine Siebenhundertfünfzig Euro für ein Gespräch. Und ihre Aufnahmegebühr haben Sie längst entrichtet.« Natürlich meinte ich es nicht ernst und ich kannte die Reaktion auf dieses Verhalten.
»Nehmen Sie schon, es ist in Ordnung.«
Das war einer der Sätze, den die Alltagspsychologie für derartige Situationen vorschrieb - und der prompt kam. Schließlich hindern gewiefte Geschäftsfrauen ihre Klienten nur zum Schein daran, ihr Geld zum Fenster rauszuschmeißen.
Zumal dann, wenn der erkleckliche Betrag in den eigenen Besitz übergeht. Ich war gewieft.
Ich nahm den Scheck, deponierte ihn in dem Safe, der in der Wand hinter meinem Schreibtisch eingebaut war, und begleitete Sarah aus dem Haus. Erstaunt registrierte ich, dass sie diesmal nicht den üblichen dunkelblauen BMW, sondern ein elegantes, silbergraues Mercedes-Cabriolet fuhr. Nichts passte an der Frau zusammen. Aber schließlich: Was hatte ich damit zu tun?
Ich hatte eigene Probleme.
Ich kehrte zurück ins Haus. Hedwig, der Lisa zur Hand gegangen war, hatte es in dieser knappen Stunde auf Hochglanz poliert und inzwischen sogar die Badezimmertür repariert. Provisorisch mit Alleskleber, wie sie erklärte. Aber fürs Erste würde es reichen. Später könnten wir die Kassette immer noch von einem Tischler ersetzen lassen.
Die zwei waren also längst zur Tagesordnung übergegangen. Hedwig stand in der Küche und bereitete Spaghetti Carbonara vor, zu denen sie Rucolasalat servieren wollte, während Lisa Zeitung lesend auf einem der
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