Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
treibenden Wurzel verhakten sich die Zinken wie zuvor schon Meinhards Hosenbein - und mir wurde klar, dass Hedwigs Säuberungswahn eine Weile dauern würde.
Ich bedeutete Lisa durch die Heckscheibe, ich führe vor und sie möge mir folgen. Auf dem unwegsamen Forstweg rumpelten wir etwas weiter in den Wald hinein, bis wir eine Abzweigung fanden, die uns gestattete, die Autos rückwärts hineinzusetzen, um zu wenden. Wir wendeten mit einiger Mühe auf dem morastigen Untergrund und fuhren den schlammigen Weg zurück, bis er wieder auf die schmale, geteerte Straße stieß, die nach Bremsnitz führte. Wir parkten die Autos hintereinander und beim Blick in den Rückspiegel sah ich Lisas Kühlergrill, der unter einer Lage aus Schlamm und Dreck kaum zu erkennen war. Das Kennzeichen allerdings auch nicht. Ich hoffte, mein Auto sähe ähnlich desaströs aus wie Lisas, lehnte mich im Sitz zurück, schloss für einen Moment die Augen, genoss die wohlige Ruhe, die allein durch das monotone Prasseln des Regens auf das Autodach gestört wurde - und wartete.
Es dauerte eine knappe halbe Stunde, bis Hedwig sich neben mich auf den Beifahrersitz fallen ließ, an ihren verschlammten Fischersachen herumzerrte, sie endlich ausgezogen bekam und in einen grauen Plastiksack stopfte, den sie schwungvoll zwischen den Vordersitzen hindurch nach hinten pfefferte.
Nun saß sie da in einem ihrer dunkelblauen Kleider mit dem weißen Spitzenkragen, als wolle sie zu einem Bridgenachmittag.
Die Frau war unschlagbar.
»Ich hätte gerne ein Taschentuch und einen Kamm«, bat sie mit einem raschen Blick in den Spiegel an ihrer Sonnenschutzblende. »Ich kann durch die Brille kaum noch etwas erkennen und sehe am Kopf verheerend aus.«
Ich reichte ihr das Gewünschte, sie fasste mit den bandagierten Fingern danach, den Mund zusammengekniffen von der Anstrengung, weder das eine noch das andere fallen zu lassen, und putzte die Brille, die in ihren unförmigen Händen fast verschwand. Ich bezweifelte, dass ihre Putzaktion von Erfolg gekrönt sein würde, denn die Verbände waren vom Regen durchnässt und von Erbrochenem und Dreck verschmutzt. Sie setzte die Brille auf und fuhr sich schließlich mit dem Kamm ungelenk durch die trotz des Hutes feucht gewordenen Haare. Ein überflüssiges Unterfangen - die Dauerwelle krisselte in alle Richtungen. Ich verkniff mir einen Kommentar.
Lisa war in ihrem Auto in der Zwischenzeit sanft entschlummert, wie mir ein Blick in den Rückspiegel offenbarte. Es blieb mir nichts anderes übrig, als nochmals in den Regen hinauszugehen und sie zu wecken. Ich klopfte an das Fenster, Lisa schrak hoch, schaute benommen in meine Richtung, lächelte entschuldigend und startete das Auto.
Durchnässt und erschöpft von der ungewohnten Tätigkeit machten wir uns auf den Heimweg.
Hedwig nickte innerhalb von zwanzig Minuten ein, ihr Kopf fiel nach vorn und schwang in den Kurven hin und her, was ihren Tiefschlaf jedoch in keiner Weise beeinträchtigte.
Ich wagte nicht, sie zu wecken, denn das hätte mit Sicherheit ein tolles Theater gegeben.
Ich hatte Hedwig in meinem Leben nur ein einziges Mal geweckt. Das reichte.
Ich war damals zwölf Jahre alt gewesen und hatte schüchtern an ihrem Ärmel gezupft und schließlich daran gezogen, da ich sie nicht wach bekam und meine Mutter sie unbedingt sprechen wollte. Mit dem Erfolg, dass sie schließlich lauthals schreiend aufgesprungen war, mir links und rechts eine runtergehauen und mir die Beine wegtreten hatte, bevor ich auch nur wusste, wie mir geschah. Schluchzend und geschockt lag ich ihr zu Füßen. Meine linke Augenbraue wies einen schmalen Riss auf, aus dem es ein wenig blutete.
Hedwig hatte auch nicht gewusst, wie ihr geschah. Sie hatte - wie später bei Eule - rein instinktiv gehandelt. Ein Nachlass aus Kriegszeiten, wie sie beteuerte, als sie mich aufhob und tröstend in die Arme nahm.
Sie erzählte, dass sie zu acht in einem ausgebombten Haus gewohnt hätten, von dem nur noch die Rückseite stand. Überdeckt von einem bizarr ausgebrannten Dachstuhl, gab es ein Zimmer, das als einziges von vier Wänden umschlossen war, und dort hinein hatten die Überlebenden des Bombenangriffs ihre verbliebenen Sachen geräumt. Viel war es nicht gewesen, wie sie beteuerte.
Von den damals gerade einmarschierten Russen gingen Gerüchte um, dass sie sich gerne junge Frauen schnappten und missbrauchten. Hedwigs Vater, ein alter Sportler, hatte die Reflexe seiner Tochter deshalb so lange trainiert,
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