Mein Mann, der Liebhaber und der Tote im Garten
eines: Der Mann verteidigte eine Frau, mit der er ein Verhältnis hatte. Und die verteidigte er mir gegenüber. Ich fand, da lief etwas ganz gehörig schief. Zu verteidigen hatte der Mann nur eine Frau: seine Frau. Also mich. Das tat er aber nicht.
»Klasse.« So ist sie nichts echt klasse. Wie ist sie denn dann? Eine hervorragende Zuhörer in? Eine Superköchin? Eine, die dich anbetet, dir den Kaffee an den Schreibtisch bringt, immer zu Diensten ist und dir alles nachsieht und alles verzeiht?«
Ich stand - wie bereits am Abend zuvor - am Rand eines Nervenzusammenbruchs. Bei der Anspannung und dem Schlafmangel war das wohl verständlich.
»Pass auf«, begann ich schließlich wieder, »wenn du diese Ehe willst, hast du nur eines zu tun: Den Kontakt zu deiner Sarah sofort abzubrechen und Laura sofort zu entlassen.«
Martin legte seine Gabel beiseite und sah mich an, die Stirn in Falten gelegt. Viel besser als heute früh sah er immer noch nicht aus.
»Das ist doch albern. Sarah ist harmlos und Laura kann ich nicht entlassen. Das gäbe nur einen Prozess vor dem Arbeitsgericht.«
»Das ist doch nicht mein Problem. Und wenn du ihr eine anständige Abfindung anbietest, wird sie es sich bestimmt überlegen. Ich meine, sie ist vierzig, sie findet doch wohl wieder einen Job. Und sicherlich auch einen Kerl. Und vielleicht sogar einen, der nicht verheiratet ist.«
Als ich das Alter der Frau ausgesprochen hatte, wurde mir schneidend bewusst, dass Laura nur unwesentlich jünger war als ich. Mit anderen Worten, nicht nur sie, nein, auch ich hatte meine so genannten besten Jahre längst hinter mir.
Mein Po begann zu hängen und der Busen, so klein er auch sein mochte, saß längst nicht mehr da, wo er idealerweise sitzen sollte. Mein Körper focht den Kampf gegen die Schwerkraft bereits seit Jahren vergeblich aus. Okay, ich war immer noch attraktiv, jüngere Männer standen auf mich ebenso wie ältere. Was nutzte das aber alles, wenn mein eigener Mann sich längst aus dem unerschöpflichen Reservoir williger, einsamer Frauen bediente? Und sollte es mich trösten, dass bei denen Busen und Po weder prall noch knackig waren? Wohl kaum.
Ich weinte, die Tränen liefen mir über das Gesicht. Ich war hilflos.
Martin stand auf, kam um den Tisch herum und wollte mich in die Arme nehmen. Ich wehrte ihn ab.
»Claire, komm schon. Quäl dich nicht so. Letztlich haben weder Laura noch Sarah etwas zu bedeuten.«
»Mir bedeuten sie aber etwas. Mir bedeutet es sehr wohl etwas, dass du es vorziehst, deine Zeit und deine Aufmerksamkeit anderen Frauen zu widmen. Verstehst du das denn nicht? Du hast mich verraten, mich entwürdigt, beleidigt, gedemütigt. Mit jedem Telefonat, mit jedem Treffen - und mit jedem Fick.«
»Claire, werd nicht so ordinär. Das ist ja widerlich.«
»Na und? Viel ordinärer ist es, so was zu machen.« Das war zwar eigentlich ein Eigentor, aber das konnte mein Mann ja nicht wissen.
»Ich sagte doch bereits, dass es mir Leid tut. Ich kann es nicht ungeschehen machen. Bitte, lass uns nach vorne schauen.«
»Dann versprich, dass du weder die eine noch die andere jemals wiedersiehst.«
Ich wusste um die Albernheit dieser Forderung, wusste schmerzhaft, dass mein Mann mir versprechen konnte, was er wollte, um mich zu beruhigen. Und natürlich versprach Martin es hoch und heilig, versprach, dass er noch am selben Tag mit Laura reden würde. Später, nach dem Besuch bei meiner Mutter.
Seitdem meine Mutter mir vor dreizehn Jahren das Haus überlassen hatte, wohnte sie in einer vornehmen Etagenwohnung nahe der Außenalster. Mein Vater hatte die Wohnung noch zu seinen Lebzeiten für meine Mutter gekauft. Er wollte verhindern, dass sie sich nach seinem Tod mit dem großen Haus abplagen musste. Und sie sollte auch nicht darauf angewiesen sein, bei mir und Martin zu wohnen.
Meine Eltern hatten eine Weile gesucht, bis sie diese Wohnung gefunden hatten. Sie erstreckte sich über die gesamte Etage einer Jugendstilvilla, die von einem parkartigen Grundstück mit direktem Zugang zu einem Seitenarm der Außenalster umgeben war. Wenn meine Mutter Lust hatte, saß sie auf ihrer Terrasse, die rund sechzig Quadratmeter maß, oder sie nahm sich das hauseigene Bötchen und ließ sich von ihrer Zugehfrau oder ihrem Gärtner durch die verschlungenen Seitenarme der Alster gondeln.
Die Wohnung meiner Mutter lag nur etwa fünfzehn Minuten von meinem Haus entfernt, doch ich musste meinem Gesicht noch eine Generalüberholung angedeihen
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