Mein Name ist Toastbrot (German Edition)
nicht minder zum Verlust des geschlechtlichen Egos und zerstört langfristig die gesamte Identität, da man im anderen zu leben versucht. Das führt jetzt aber zu weit. Ich erzähle dir gerne mehr von meiner Arbeit, aber bei anderer Gelegenheit. Jetzt haben wir noch das Pflichtprogramm vor uns.“
„Toll, jetzt wo es spannend wurde.“
Es folgte eine sehr ausführliche Aufklärung über schwulen Sex und Verhütung und ich verließ gut zwei Stunden später mit einem erhebenden Gefühl und einem Stapel Broschüren und Faltblättern seine Praxis. Das war einer dieser Momente von kurzer Dauer in denen das Leben so unendlich abgeklärt und einfach erscheint.
Nun ging es für mich darum, meine sexuelle Identität zu erschaffen. Da ich nicht wusste, wie ich den inneren Prozess beeinflussen konnte, wollte ich mit den Äußerlichkeiten anfangen. Aufgrund meines schmächtigen Körperbaus und dem knabenhaften Esprit entschloss ich, fortan ein schnuckeliger süßer Skaterboy zu sein.
Ich schlüpfte in weiße Retroshorts, die ich fünf Fingerbreit über dem Bund meiner schwarzen Baggy-Pants mit weißen Nähten auf den Pobacken, überstehen ließ. Ein himmelblaues Sweatshirt mit Kapuze verhüllte meinen Oberkörper und eine rote Baseballcap meinen Kopf. Dazu trug ich meine schwarzen Turnschuhe, eine behinderungsgerechte Sonderanfertigung, als Tribut an alle Fußfetischisten.
Schön sind diese, mangels Alternativen notwendigen,Anglizismen nicht. Es klingt aber einfach weit weniger sexy, wenn man Baggy-Pants als herunterhängende, zu weite Hosen, oder ein Baseballcap als Mütze mit Sonnenblende bezeichnet. Die deutsche Bezeichnung für Baggy-Pants lädt zur Ergründung der Entstehung dieser Modeerscheinung ein. Im Knast mussten Häftlinge überweite Hosen tragen, da man möglichst nur eine Universalgröße verwenden wollte. Um zu vermeiden, dass sich die Insassen erhängen konnten, durften sie keine Gürtel, oder Hosenträger, tragen. Die Hose hing deshalb weit unterhalb der Hüfte. Nach der Entlassung etablierten diese Häftlinge ihren Style in der Gangster-Rap Szene, wo er schließlich auch zur Skatermode wurde.
Die Ausnahme bildet die deutsche Übersetzung der Retroshorts. Eine hautenge Unterhose mit knappem Beinansatz, die Schwanzbeule und Pobacken hervorhebt. Klingt sehr lecker.
Neben dem Style erfüllte ich damals und noch heute, einen ganzen Katalog an Kriterien, die mich ins Beuteschema eines Großteils der Schwulen passen ließ. Jung und knabenhaft, schlank, unerfahren wirkend und nicht tuntig, ein Gesicht ohne Auffälligkeiten, zarte Züge und große Augen.
Die Szene funktioniert nach sehr einfachen Regeln. Alles dreht sich um den persönlichen Marktwert. Das Aussehen gibt jedem einen fiktiven Wert, von dem Alter und Übergewicht abgezogen werden. Grundsätzlich kann man jeden, dessen Marktwert deutlich unter dem Eigenen liegt, abschleppen. Genau so primitiv, wie das klingt, ist es auch. Der Selbstzweifel wird in Oberflächlichkeit verhüllt und Sexualität dient der Selbstbestätigung und weniger der Befriedigung. Geist ist weniger geil als gefährlich. Ist man klug, stellt man sich besser dumm, denn nichts fürchtet der Schwule mehr, als vom intelligenten Gegenüber infrage gestellt zu werden.
Ähnlich wie sich heterosexuelle Männer Jungfrauen mit der technischen Erfahrung einer Nutte wünschen, suchen schwule Männer Sexpartner, die einem zu Selbstbestätigung verhelfen und möglichst selber keinen Selbstwert empfinden. Zusammengefasst bedeutet dies, dass ein magersüchtiger gut aussehender Holzkopf geiler empfunden wird, als der Junge von nebenan, der sich nicht dumm stellen kann.
Besonders widerlich finde ich den Wahn rund ums Thema Schlankheit, der über die allgegenwärtigen Ernährungsprogramme in Schulen, die Faltblätter in den Wartezimmern der Ärzte, Dokusoaps und Werbe-Ikonen in die Köpfe der Kinder und Erwachsenen gehämmert wird. Der neu geschaffene Berufszweig der Ernährungsberater, Personaltrainer, Fitnessstudiobetreiber, und wie sie alle heißen, die nichts von dem, was sie propagieren, wissenschaftlich belegen können, züchten mit dem Jubel der Eltern und Lehrer eine Generation, die mit ihrem total gestörtem Selbstbild psychosomatische Kliniken füllen, in denen wieder mit Sport und Bewegung der Schaden repariert werden soll.
In einem Zeitungsladen in der Nähe meiner Schule war mir ein Verkäufer aufgefallen, der jedes Klischee über Homosexuelle mit Bravour bestätigte. Ich fragte ihn,
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